Süddeutsche Zeitung

Zorneding:Warten auf das große Ding

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Wenn es um bedeutende Bauprojekte im Landkreis Ebersberg geht, ist häufig auch die Gemeinde Zorneding mit im Rennen. Bisher allerdings ging der Ort stets leer aus. Eine Chronologie des Scheiterns

Von Andreas Junkmann, Zorneding

Das Adjektiv "praktisch" ist wohl keines, das sich eine Gemeinde voller Stolz auf den Briefkopf drucken würde. Dennoch darf man diese Beschreibung im Fall von Zorneding durchaus als eine Art Kompliment werten - eines allerdings, von dem der Ort in den vergangenen Jahren wenig profitiert hat. Nicht zuletzt wegen seiner guten - oder eben praktischen - Verkehrsanbindung durch den zentral gelegenen S-Bahnhof und die unmittelbare Nähe zur Bundesstraße, ist die Gemeinde immer wieder in der Verlosung, wenn es um große Bauprojekte im Landkreis Ebersberg geht. Statt den Jackpot zu ziehen, musste sich Zorneding bisher jedoch stets mit den Nieten begnügen.

Jüngstes Beispiel ist das Kompetenzzentrum zur Erforschung von Wasserstoffenergie, das womöglich im Süden der Gemeinde hätte entstehen können. Die Energieagentur Ebersberg war diesbezüglich im Juli dieses Jahres an den Zornedinger Gemeinderat herangetreten und hatte in Person des damaligen Geschäftsführers Hans Gröbmayr das vom Bund geförderte Projekt präsentiert: Auf einer Fläche von rund 3,5 Hektar sollten die Gebäude für das Forschungszentrum entstehen, auf 3,5 weiteren Hektar eine Fotovoltaikanlage gebaut werden. Um diesen Kern herum hätte sich in den kommenden Jahren ein Industriepark mit Betrieben entwickeln sollen, die mit der Wasserstofftechnologie arbeiten.

Auf Zorneding sei man bei der Energieagentur wegen seiner günstigen Verkehrsanbindung und der Nähe zu einer Universität gekommen, hatte Bürgermeister Piet Mayr (CSU) in der Gemeinderatssitzung Ende Oktober gesagt. "Zorneding erfüllt die Vorgaben vollständig", so der Rathauschef, der selbst für das Projekt als "zukunftsweisend für die Gemeinde" warb. Mit dieser Zukunft jedoch konnten sich nicht alle im Gremium anfreunden. Nach einer hitzigen und teils emotional geführten Debatte standen Mayr und die weiteren Befürworter aus den Reihen von CSU und FDP mit leeren Händen da. Mal wieder, muss man inzwischen sagen. Denn der Ratsbeschluss gegen die Bewerbung um den Technologiecampus reiht sich in eine Liste mit weiteren Großprojekten ein, die der Gemeinde in den vergangenen Jahren durch die Lappen gegangen sind.

Beim Gymnasium ließ der Kreistag die Träume platzen

Einem Zuschlag deutlich näher als nun beim Wasserstoffzentrum, war Zorneding im Fall des vierten Gymnasiums im Landkreis Ebersberg. Bis zuletzt lieferte man sich im Jahr 2004 ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der Nachbargemeinde Kirchseeon - und hatte am Ende das Nachsehen. Dabei sprach eigentlich vieles für Zorneding: Im Gegensatz zu dem bewaldeten Grundstück, das die Marktgemeinde im Angebot hatte, wäre die Fläche im Zornedinger Ortsteil Pöring sofort bebaubar gewesen. Auch finanziell sah der damalige Bürgermeister Franz Pfluger (CSU) seine Gemeinde im Vorteil gegenüber den traditionell verschuldeten Nachbarn.

Ein weiteres Argument, das aus Sicht des heutigen Altbürgermeisters für das Grundstück zwischen Eglhartinger Straße und Bahnlinie gesprochen hätte: Es sei gerade für alle Schüler aus dem Landkreis-Norden und -Süden besser und selbst für Fahrradfahrer sicherer zu erreichen, als die Fläche in Kirchseeon, wie Pfluger damals sagte.

Anders als nun bei der möglichen Bewerbung für ein Wasserstoffzentrum, lag die Entscheidung über das Gymnasium allerdings nicht bei der Gemeinde selbst, sondern beim Ebersberger Kreistag. Und der ließ im Dezember 2004 durch einen denkbar knappen Beschluss von 28 zu 22 Stimmen die Zornedinger Träume endgültig platzen. Während sich SPD, Grüne und FDP aus verschiedenen Gründen generell gegen eine zusätzliche weiterführende Schule ausgesprochen hatten, war die CSU in zwei Lager gespalten. Schließlich bewarben sich in Udo Ockel aus Kirchseeon und Franz Pfluger aus Zorneding zwei Christsoziale um die Schule, die letztendlich in der Marktgemeinde gebaut worden ist.

Noch nicht gebaut, aber in der Planung weit fortgeschritten, ist ein weiteres bildungspolitisches Großprojekt, für das Zorneding zwischenzeitlich der favorisierte Standort war: die erste Berufsschule im Landkreis Ebersberg. Es war im Oktober 2016, als sich der Gemeinderat mehrheitlich dafür ausgesprochen hat, dass Bürgermeister Piet Mayr entsprechende Verhandlungen für deren Bau aufnehmen solle. Der vorgesehene Standort wäre wiederum die 32 000 Quadratmeter große Fläche südlich der Eglhartinger Straße gewesen. Allerdings hatten die Gemeinderäte ihre Rechnung damals ohne die Zornedinger Bevölkerung gemacht, von der es massiven Widerstand gegen das Großprojekt gab.

Gegen die Berufsschule protestierten viele Zornedinger

Aus politischer Sicht waren die Pläne für die Berufsschule bereits auf dem Weg gebracht, als sich immer mehr Zornedinger zu Wort meldeten, die sich gegen den Bau aussprachen. Der Protest gipfelte in einer Unterschriftensammlung mit 678 Unterzeichnern aus den Orten Pöring, Zorneding, Wolfesing, Ingelsberg und Eglharting, die sich vor allem Sorgen über eine zunehmende Verkehrsbelastung machten. Außerdem führten die Gegner damals einen möglichen Wertverlust ihrer Immobilien, den ohnehin knappen Wohnraum und sogar die negativen Auswirkungen auf die Krötenwanderung über die Eglhartinger Straße als Argumente ins Feld.

Auf diesen Gegenwind waren die Zornedinger Lokalpolitiker um Bürgermeister Mayr nicht vorbereitet. Zwar versuchten sie noch kurzfristig ein Ersatzgrundstück in der Nähe des Gewerbegebiets aufzutreiben, letztendlich musste der Rathauschef aber konstatieren: "Wir können das sowohl aus räumlicher, als auch verkehrlicher Hinsicht nicht erfüllen." Von der erneuten Zornedinger Pleite profitierte diesmal die Stadt Grafing. Im dortigen Ortsteil Grafing-Bahnhof wird in den kommenden Jahren die für rund 1500 Schüler konzipierte Berufsschule gebaut werden.

Mit der Absage an das Wasserstoffzentrum hat die Gemeinde vor wenigen Tagen also die bereits dritte Chance auf ein bildungspolitisches Großprojekt verspielt. Diesmal allerdings wird wohl auch keine andere Landkreiskommune den Zuschlag erhalten. Als aussichtsreichster Bewerber gilt nach dem Rückzug nun die Gemeinde Eching bei Landshut. Ob Zorneding dagegen in absehbarer Zeit noch mal die Möglichkeit bekommt, ein prestigeträchtiges Projekt an den Ort zu holen, ist allen praktischen Verkehrsanbindung zum Trotz fraglich. Das Warten auf das große Ding, es geht vorerst weiter.

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Quelle:
SZ vom 09.11.2020
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