Süddeutsche Zeitung

Razzia:Polizei durchsucht erneut "Reichsbürger-WG" in Pliening

Lesezeit: 2 min

Von Clara Lipkowski

Die Kriminalpolizei hat die "Reichsbürger-WG" in Pliening zum fünften Mal durchsucht. Mitte März hätten etwa zehn Beamte in den frühen Morgenstunden das Gebäude im Ortsteil Landsham betreten, teilte das Polizeipräsidium Oberbayern Nord am Mittwochmorgen auf Nachfrage der SZ mit. "Ziel der Polizeiaktion war es, Beweismittel sicherzustellen, die den vorliegenden Tatverdacht der gewerbs- und bandenmäßigen Urkundenfälschung und Amtsanmaßung weiter untermauern", sagte Präsidiumsleiter Hans-Peter Kammerer. Die zwei Bewohner der WG waren in der Vergangenheit immer wieder aufgefallen, weil sie Fantasiedokumente herstellten und vertrieben, auch an Käufer außerhalb des Landkreises, die dafür bereits teils verurteilt wurden.

Auch dieses Mal stellten die Beamten falsche Urkunden, Datenträger, einen PC und Bargeld sicher. "Die Durchsuchung selbst verlief ohne Zwischenfälle", sagte Kammerer. Zum Sachverhalt äußern wollten sich die Beschuldigten jedoch nicht. "Die Auswertung der Unterlagen und Datenträger dauert an", sagte Kammerer.

Am 25. September 2018 hatte sich die Gruppierung von "Bundesstaat Bayern" in "Volksstaat Bayern" umbenannt, für die Polizei ein Zeichen dafür, dass die Plieninger nach wie vor aktiv sind. Im Internet wirbt sie mit dem Slogan: "Holen Sie sich Ihre Staatsangehörigkeit in Bayern zurück!" Die Plieninger erkennen den Personalausweis der Bundesrepublik nicht an und argumentieren, sie seien kein "Personal" der BRD, auch, weil das Deutsche Reich mit seiner Verfassung von 1871 fortbestehe.

Die Internetseite ist nach wie vor offen zugänglich. "Da sind wir dran", sagte Kammerer, doch sei es schwierig, dem Betreiber habhaft zu werden, da dieser die Seite offenbar aus dem Ausland steuere. Das wiederum zeige, wie vernetzt die Plieninger "Reichsbürger" seien.

Nun ermittelt die Polizei wegen des Tatvorwurfs der banden- und gewerbsmäßigen Urkundenfälschung und Amtsanmaßung. Die Herstellung und Verwendung unechter Urkunden sind ebenso strafbar wie die Verwendung von Wappen oder Dienstflaggen.

Den Plieningern droht eine Anklage durch die Staatsanwaltschaft. Eine Verurteilung könnte eine hohe Geldstrafe oder sogar eine Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahre bedeuten. Dies sei aber zum jetzigen Zeitpunkt Spekulation, sagte Kammerer und Aufgabe des Gerichts, hier eine Entscheidung zu fällen.

Zuletzt hatte die Polizei im April 2018 das Gebäude durchsucht. Schon damals stellten die Beamten ein Siegel, das offenbar zur Herstellung falscher Dokumente diente, ein Faxgerät, zwei PC und mehrere Monitore sicher.

Dass sich die "Reichsbürger" nach der neuerlichen Durchsuchung reuig zeigen oder gar ihre Urkundenfälschungen aufgeben, hält Präsidiumsleiter Kammerer für unwahrscheinlich. Es "besteht der dringende Tatverdacht, dass die Beschuldigten wenig beeindruckt von polizeilichen Maßnahmen weiter strafbare Handlungen begehen."

Im Landkreis Ebersberg sind der zuständigen Kriminalpolizei Erding zurzeit 41 Personen der sogenannten Reichsbürger- bzw. Selbstverwalterszene bekannt. Davon zählen derzeit sechs Personen zum "harten" Kern. Diese Personen sind nicht nur passiv, sondern auch aktiv als "Reichsbürger" unterwegs. Sie stellen eigene Dokumente her oder wenden sich wiederholt mit reichsbürgertypischen Schreiben an Behörden, zum Beispiel um finanzielle Forderungen zurückzuweisen. Eine dieser Personen stuft die Polizei als rechtsextrem ein, einer Person wurde die Waffenerlaubnis wegen ihrer Zugehörigkeit zur Reichsbürgerszene aberkannt. "Die Person gab ihre Waffen freiwillig ab", so Kammerer.

Bislang wurden bereits elf Personen vom Amtsgericht Ebersberg rechtskräftig verurteilt, weil sie sich in Pliening Ausweise besorgt hatten. Hier lautete der Vorwurf: Mittäterschaft zur Urkundenfälschung und Beihilfe zur Amtsanmaßung. Die Geldstrafen lagen jeweils zwischen 900 und 20 000 Euro und insgesamt bei 53 000 Euro.

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