Süddeutsche Zeitung

Papst Franziskus:Der Pfarrer und die Politik

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Zu Ostern lässt Papst Franziskus eine Ukrainerin und eine Russin das Kreuz tragen. Hinter den Kulissen bemüht sich der Pontifex um eine Lösung im Ukraine-Krieg - eine heikle Mission.

Von Oliver Meiler

Rom ist wieder voll, die Touristen sind zurück, auch die Pilger. Das Osterfest mit seinen vielen Messen und Prozessionen ist so etwas wie der Top Event im katholischen Kalenderjahr, größer noch als Weihnachten. Und der Papst steht mittendrin, immer vorne auf der Bühne. Für ihn persönlich ist das Fest wohl auch eine besondere Strapaze. Franziskus hat derzeit Mühe beim Gehen, man sah es neulich beim Besuch in Malta: ein Problem am Knie. Seine Gesundheit sei "kapriziös", sagt er. Der Argentinier ist ja jetzt auch schon 85 Jahre alt.

Aber das ist es nicht, was so schwer auf diesen römischen Ostern und dem Papst lastet. Es ist der Krieg in der Ukraine und dieses Gefühl der Ohnmacht. Aus unterrichteten Kreisen hört man, der Vatikan sei geradezu fiebrig aktiv hinter den Kulissen. Der Pontifex telefoniert rege herum, er ist ein großer Telefonierer. Mehrmals schon sprach er mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskij. Auf dem Tisch liegt die Option, dass der Papst nach Kiew fahren könnte, um dort für Frieden zu beten.

Doch die Russen würden eine solche Reise als Parteinahme auslegen, zumindest in diesem Moment. Auch Kyrill I., Patriarch der russisch-orthodoxen Kirche, sähe darin einen Affront, und dann wäre die mühseligst ausgehandelte Annäherung mit ihm wahrscheinlich schnell vorbei. Und vor allem: Die ersehnte Vermittlerrolle, die Mission des Friedensstifters im weißen Gewand - sie wäre weg. Nun darf man sich natürlich fragen, ob es überhaupt Aussicht gibt, dass Wladimir Putin irgendjemanden als Mittler akzeptiert. Die beiden, Putin und der Papst, sind sich schon oft begegnet. Aber das war vorher.

Er setzt symbolische Ausrufezeichen, sie gehen unter im Donner der Bomben

Franziskus wird nun vorgeworfen, dass er nicht deutlich genug sei, wenn er vom Krieg rede, dass er den Aggressor nicht benenne, mit Namen und Vornamen. Aber das passt gut in die vatikanische Tradition der Zurückhaltung, wie der Kirchenhistoriker Jörg Ernesti sie in seinem Buch "Friedensmacht" über die Außenpolitik des Kirchenstaats seit 1870 nachzeichnet. "Der Papst schlägt keine Türen zu", sagte Ernesti der katholischen Nachrichtenagentur. Oder wie es Antonio Spadaro ausdrückt, Chefredakteur der Zeitschrift Civiltà Cattolica und enger Vertrauter von Franziskus: "Der Papst ist ein Pfarrer, kein Politiker."

So bleiben nur Gebet und Spiritualität, symbolische Ausrufezeichen im Donner der Bomben. Für die Via Crucis am Karfreitag beim Kolosseum, dem vielleicht suggestivsten Moment des Osterfests, hat man sich im Vatikan eine Station zum Krieg ausgedacht: nämlich die XIII., sie steht für den Tod Christi. In diesem Jahr sollen da zwei Frauen das Kreuz tragen, Irina und Albina. Irina ist Ukrainerin, Krankenschwester. Und Albina ist Russin, auszubildende Krankenschwester. Sie sind Freundinnen. Kennengelernt haben sie sich in einem römischen Hospital auf der Abteilung für Schwerkranke. Irina erzählt, Albina habe sich nach Beginn des Kriegs bei ihr entschuldigt, wo sie doch auch nichts dafür könne, es sei sehr berührend gewesen. Sie sollen also das Kreuz tragen. Und aus den Lautsprechern wird eine Stimme sagen: "Herr, wo bist du? Warum hast du unsere Völker im Stich gelassen?"

Irina und Albina, zwei Freundinnen für den Frieden

Außer, es gibt noch Programmänderungen in letzter Minute. Das fordern nämlich der ukrainische Botschafter am Heiligen Stuhl, Andrij Jurasch, und der Großerzbischof der ukrainisch-griechisch-katholischen Kirche in Kiew, Swjatoslaw Schewtschuk. Vor allem der Geistliche gab sich sehr empört über die "unangebrachte und doppeldeutige Idee". Ukrainer und Russen vereint unter dem Kreuz? Das trage dem Umstand nicht Rechnung, dass es in diesem Krieg einen Angreifer und einen Angegriffenen gebe.

Nun, für den Oberhirten in Rom sind alle Schäfchen vor dem Herrn. Gerade Irina und Albina, auf dem österlichen Leidensweg der großen Weltpolitik.

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