Dem Papst ist in den vergangenen Wochen oft vorgehalten worden, er winde sich vor einer klaren Positionierung zum Krieg in der Ukraine, um so seine Beziehungen zu Moskau und dem orthodoxen Patriarchen Kyrill I. nicht zu kompromittieren. Bei seinem Besuch am Wochenende in Malta wurde Franziskus nun etwas deutlicher. "Während wieder einmal einige wenige Mächtige, die leider in den anachronistischen Forderungen nationalistischer Interessen gefangen sind, Konflikte provozieren und schüren, verspüren die einfachen Menschen das Bedürfnis, eine Zukunft zu gestalten, die entweder gemeinsam sein wird oder gar nicht sein wird", sagte er. "Einige wenige Mächtige"? In der Deutung der Vatikanisten, die jedes Wort des Papstes analysieren, meinte Jorge Mario Bergoglio damit einen allein: Wladimir Putin, den russischen Präsidenten. Aber dessen Namen nannte er nicht, und das ist nicht verwunderlich. Im Hintergrund laufen gerade diplomatische Bemühungen.
Ein Journalist hatte Franziskus auf dem Weg nach Valletta gefragt, ob es wahr sei, dass er einen Besuch in Kiew erwäge, um dort für den Frieden zu beten. "Ja", sagte der Papst, "das liegt auf dem Tisch." Die gut informierte Zeitung Corriere della Sera berichtet, im Vatikan werde schon seit zehn Tagen intensiv über einen sehr kurzen Aufenthalt diskutiert. Das vatikanische Staatssekretariat sei im ständigen Kontakt mit der Regierung in Kiew und parallel dazu mit dem russischen Botschafter am Heiligen Stuhl. Am Sonntagabend bei der Pressekonferenz auf dem Rückflug von Malta bekräftigte der Papst dann nochmal, dass er gerne in die Ukraine reisen würde: "Die Bereitschaft ist immer da, es gibt kein Nein. Ich stehe zur Verfügung."
Putins Krieg und die Kirche in Russland:Dein Reich komme
Es lebe die "Russische Welt", es lebe der "Kampf gegen die Sünde": Wie der Patriarch der russisch-orthodoxen Kirche in Moskau den Angriff Putins auf die Ukraine rechtfertigt.
Doch da gibt es mindestens zwei Sorgen. Wie lässt sich erstens die Sicherheit des Papstes garantieren? Möglich wäre eine solche Reise natürlich nur, wenn vorab eine Feuerpause beschlossen würde. Franziskus ist in seinem Pontifikat schon einmal in ein Land im Krieg gereist: 2015, Zentralafrika. Im Zusammenhang mit Kiew rückt nun aber ein anderer Vermittlungsversuch in Erinnerung: 1994 wollte Johannes Paul II. nach Sarajevo fahren und so ein starkes Zeichen gegen den Krieg in Bosnien setzen. Doch es blieb dann beim Versuch, die Gefahren waren zu groß.
Die zweite Sorge im Vatikan ist eine politische: Lässt sich verhindern, dass die Russen einen allfälligen Besuch des Papstes in Kiew als Parteinahme erachten? Das könnte den mühsam aufgebauten Dialog mit der russisch-orthodoxen Kirche beschädigen. Franziskus hat den Putin-nahen Kyrill I. vor einigen Jahren in Kuba getroffen; für dieses Jahr war sogar ein Besuch des Papstes in Moskau in Erwägung gezogen worden. Es wäre eine Premiere gewesen. Die ist nun wahrscheinlich vom Tisch. Kyrill I. hat der russischen Invasion seinen Segen erteilt und dafür offen antiwestliche Parolen gebraucht. Doch offenbar reden die beiden noch immer von der Möglichkeit eines Treffens an einem neutralen Ort.
Der Pontifex will seine Vermittlerrolle nicht verspielen
Darum tut sich Franziskus so schwer, den Verantwortlichen des Kriegs beim Namen zu nennen. Mehr noch: Der Papst sagte in einer anderen Passage, dass dieser Krieg "von langer Hand vorbereitet war, mit großen Investitionen und Handel mit Waffen". Meinte er dabei womöglich beide Seiten: die Russen und die Nato? Wichtig scheint ihm zu sein, seine Vermittlerrolle nicht zu verspielen.
Geopolitisch unverfänglich ist der Appell für die Aufnahme von Flüchtlingen, ukrainischen und anderen. Malta, sagte der Papst, sei das "Herz des Mittelmeers", und dieses Mittelmeer sei die Kreuzung vieler Migrationsrouten. Flucht sei kein momentanes, punktuelles Phänomen: "Sie zeichnet unsere Epoche." Es bringe nichts, sich mit aus der Zeit gefallenen Methoden abzuschotten.
Und während der Papst so sprach, wurde bekannt, dass sich auf der Route durch das zentrale Mittelmeer, von Libyen nach Italien, wieder eine Tragödie zugetragen hat. Ein Frachtschiff fand vier Menschen, die sich mit letzter Kraft an den Resten eines gekenterten Boots festhielten. Sie erzählten, dass der Motor ihres Boots mit mehr als hundert Migranten nach vier Tagen Reise bei rauer See ausgestiegen sei. Nur sie vier hätten überlebt, völlig unterkühlt. Alle anderen, vor allem Kinder und Frauen, seien ertrunken.