Süddeutsche Zeitung

Videoportal Hulu:Google und der Flaschenkürbis

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Sie ist ein heißer Übernahmekandidat: Der mögliche Verkauf der Videoplattform Hulu bringt Technologieriesen wie Google, Yahoo und Microsoft in Stellung. Bei der exklusiven Medienkonferenz in Sun Valley im US-Bundesstaat Idaho war die professionelle Schwester von YouTube das wichtigste Thema.

Nikolaus Piper, New York

Manche nennen das Treffen ein "Sommerlager für Medienmogule". Jedes Jahr nach dem amerikanischen Nationalfeiertag am 4. Juli folgen die Großen der Branche einer Einladung des Investmentbankers Herbert Allen nach Sun Valley im abgelegenen US-Bundesstaat Idaho. Der Besuch lohnt sich - nach den exklusiven Medientagen in den Rocky Mountains weiß die Branche meist etwas genauer, was sie in den kommenden zwölf Monaten erwartet.

Wichtigstes Thema in diesem Jahr war der mögliche Verkauf der Videoplattform Hulu. Als heißer Kandidat für den Erwerb der gut zwei Milliarden Dollar teuren Firma gilt der Internet-Riese Google; aber auch Microsoft und Yahoo sind im Gespräch.

Bemerkenswert ist dabei, um welche Art von Firmen es sich bei Verkäufern und möglichen Käufern handelt. Bisher standen hinter Hulu Medienfirmen, die für ihre Produkte neue Vertriebswege suchten, künftig wird es ein Technologiekonzern und/oder einer der Großen im Geschäft mit der Internet-Werbung sein. Nicht mehr die Inhalte treiben die Entwicklung voran, es sind die Werbemöglichkeiten. Roger Iger, der Chef des Disney-Konzerns, versicherte in Sun Valley jedenfalls, die Eigentümer von Hulu hätten sich verpflichtet, das Portal zu verkaufen.

Hulu ist typisch für die moderne Medienwelt. Das Unternehmen wurde vor weniger als vier Jahren durch Rupert Murdochs Konzern News Corp, den Konkurrenten NBC Universal und den Finanzinvestor Providence Equity Partners gegründet. Später schloss sich Disney dem Trio an. Das Motiv der Gründer: Sie wollten ihre Inhalte an Menschen vermarkten, die Filme und Serien lieber auf ihrem Computer als auf dem Fernsehschirm sehen. Zunächst wurde auf Hulu alles gratis angeboten; das Portal finanzierte sich ausschließlich durch Werbung.

Seit 2010 gibt es auch einen kostenpflichtigen Dienst "Hulu Plus". Für 7,99 Dollar im Monat bekommen die Kunden Zugang zu zusätzlichen Filmangeboten; diese können außerdem auf Handys, iPads, Spiele-Konsolen und Fernseher geladen werden. Im Juni hatte Hulu Plus 875.000 Abonnenten. Hulu-Chef Jason Kilar verkündete, bis Endes des Sommers werde die Grenze zu einer Million überschritten sein. Genutzt hat Hulu Plus der Zugang zu immer mehr digitalen Plattformen, der Spiele-Konsole Xbox, Samsung-Handys, die Set-Pop-Box Tivo oder Android. Insgesamt verzeichnet Hulu jeden Monat 28 Millionen Zuschauer.

Immer wieder Reibereien

Der Name Hulu ist dem Chinesischen entlehnt und bedeutet angeblich "Flaschenkürbis". In einem gewissen Sinne ist Hulu die professionelle Schwester von YouTube. Auf YouTube, das bereits heute zum Google-Reich gehört, kann jeder das Video stellen, das er mag, ob es nun seriös ist oder purer Quatsch. Musikvideos sind ebenso populär wie politische Propaganda. In jüngster Zeit versucht Google aber auch, dort richtige Fernsehserien anzubieten. Hier wäre Hulu eine konsequente Fortsetzung. Die Plattform hat feste Verträge mit den Lieferanten der Inhalte, die ein verlässliches Geschäft versprechen.

Nicht verlässlich dagegen scheint die bisherige Eigentümerstruktur zu sein - Hulu ist im Kern ein Joint Venture zwischen drei Platzhirschen der Branche. Es gab angeblich immer wieder Reibereien, weshalb die Eigentümer im vergangenen Jahr schon einen Börsengang erwogen. Aus dieser Zeit stammt die Bewertung des Unternehmens mit zwei Milliarden Dollar. Die Börsenpläne wurden schnell gestoppt - bis zu Beginn dieses Jahres ein, wie es hieß, "unverlangtes Kaufangebot" am Firmensitz in Los Angeles einging. Jetzt beschlossen die Eigentümer, die Firma offiziell zum Verkauf zu stellen. Wenn es gut läuft für Hulu, dann liefern sich Google, Microsoft und Yahoo einen Bieterwettstreit und der Preis geht deutlich über die zwei Milliarden Dollar hinaus.

Der mit Abstand spannendste Interessent ist Google. Der Konzern hatte zuvor schon die Investmentbank Morgan Stanley und die Finanzboutique Guggenheim engagiert, um das Feld der Medienfirmen nach möglichen Kaufobjekten zu durchsuchen. Analyst Anthony diClemente von Barclays Capital sagt: "Wir glauben, dass die Kombination von YouTubes zuschauergenerierten Inhalten und Hulus professionellem Angebot Google mit starken Synergien ausstatten wird." Google werde seinen Marktanteil für Online-Videos und Markenartikelwerbung im Internet ausweiten können. Außerdem werde das Unternehmen seine Beziehungen zu den Hollywood-Firmen als Lieferanten verbessern.

Grund für Vorsicht

Ein Deal wäre aber auch mit erheblichen Risiken verbunden. Die Federal Trade Commission (FTC), eine Wettbewerbs- und Verbraucherschutzbehörde, prüft derzeit ein Kartellverfahren, bei dem es genau um Googles Praxis geht, immer mehr internetbezogene Firmen zu kaufen und so die eigene Machtposition auszubauen.

Eine Frage wird auch sein, ob Hulu seine Lizenzverträge mit den Medienfirmen und mit Hollywood nach einem Verkauf sichern kann. Als wichtigen Konkurrenten gibt es immer noch den Videopionier Netflix. Das 1997 gegründete Unternehmen aus Kalifornien bietet seine Videos ausschließlich an Abonnenten an und machte damit im vergangenen Jahr 116 Millionen Dollar Gewinn.

Aus Sicht der Medienfirmen ist Netflix ein sehr angenehmer Partner, weil er ihnen einen regelmäßigen Einnahmefluss garantiert. Bei einem möglichen Verkauf von Hulu an Google müssen sie dagegen damit rechnen, dass sich der Technologiekonzern von einem Partner zu einem gefährlichen Konkurrenten auf dem Werbemarkt entwickelt. Sie haben also Grund vorsichtig zu sein.

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Quelle:
SZ vom 18.07.2011
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