Süddeutsche Zeitung

Arte-Themenabend über Christoph Waltz:Genau sein

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Im neuen Bond-Film hat er einen Kinoauftritt, außerdem feiert er Geburtstag: Anlass genug für einen Arte-Themenabend über Christoph Waltz.

Von Tobias Kniebe

Zwei Tatsachen über den Schauspieler Christoph Waltz sind seit Längerem bekannt. Erstens hat er einen Auftritt im neuen James- Bond-Film "Keine Zeit zu sterben", wenn auch etwas eingeschränkt - der von ihm gespielte Oberschurke Ernst Stavro Blofeld sitzt in einem britischen Hochsicherheitsgefängnis. Zweitens wird er am 4. Oktober 65 Jahre alt. Die Zufälle der Pandemie haben Filmstart und Geburtstag nun zusammengewürfelt, um das aktuelle Wochenende herum, und wenn das kein doppelter Anlass für einen Arte-Themenabend ist, was bitte dann?

Wer Christoph Waltz schon einmal getroffen hat, kann sich allerdings das maliziöse Lächeln vorstellen, das schon bei der Idee eines Christoph-Waltz-Themenabends über sein Gesicht huscht. Nicht weil er arrogant oder undankbar wäre. Auch nicht, weil er die Bestätigung in Form eines Arte-Themenabends grundsätzlich zurückweisen würde. Es ist nur einfach so, dass er bis heute keine Antwort auf die Frage gefunden hat, wie dieses Ding mit der Selbstdarstellung eigentlich funktionieren soll - ohne dass man sich dabei komplett zum Affen macht.

Allein die Vorstellung, dass dieser Mann höchstselbst an einer Dokumentation mitwirken würde, die den Titel "Christoph Waltz - Der Charme des Bösen" trägt, ist absurd. Das mussten dann bald auch die Macher dieses Films einsehen, weshalb sie zu einem wilden Streifzug in die Archive aufgebrochen sind. Dabei haben sie dann wirklich alles ausgegraben, von den ersten Gehversuchen des jungen Max-Reinhardt-Eleven im österreichischen Fernsehen (oh, dieser waidwunde und verletzliche junge Rebellenblick!) über Cannes-Pressekonferenzen, Golden-Globe- und Oscar-Reden bis hin zu Clips aus einer Podiumsdiskussion, wo Waltz vor Publikum dann doch einmal etwas über sich preisgegeben hat.

Tarantino verzweifelte bei der Besetzung von Hans Landa bei "Inglourious Bastards" - bis Christoph Waltz den Raum betrat

Das geht alles wild durcheinander und kommt doch immer wieder auf ein Ereignis aus dem September 2008 zurück, das Waltz' Leben wie mit dem Samuraischwert in zwei Teile geschnitten hat: die Begegnung mit Quentin Tarantino. Der hatte für seine Nazi-Groteske "Inglourious Basterds" einen österreichischen SS-Offizier und "Judenjäger" namens Hans Landa erfunden, der nicht nur eine Ausgeburt des Bösen ist, sondern auch noch ein Sprachgenie. Tarantino verzweifelte bei der Besetzung - bis Waltz den Castingraum betrat: "Er sagte zwei Sätze", erinnert sich Tarantino, "und auf einmal hatten wir einen Film."

Waltz hat diesen wortgewaltigen, verschlagenen und sarkastischen Mephisto dann in Besitz genommen, mit seinem tollsten Wiener Schmäh ausgestattet und Tarantinos Dialoge sozusagen vertont, auf Französisch, Englisch, Deutsch und sogar Italienisch. Damit gewann er den Darstellerpreis in Cannes, den Golden Globe und den Oscar. Eine weitere geniale Tarantino-Figur, der deutschstämmige Kopfgeldjäger Dr. King Schultz in "Django Unchained", und ein weiterer Oscar bestätigten dann noch einmal, dass das alles kein Zufall war - was aber ohnehin niemand mehr glaubte.

Arte zeigt diese beiden Filme am Sonntag nicht, auch nicht den Bond-Film "Spectre", in dem Waltz erstmals als Schurke Blofeld aufgetaucht ist, was beim Verständnis des aktuellen Bond-Blockbusters in den Kinos durchaus helfen könnte. Stattdessen gibt es "Big Eyes" von Tim Burton. Da spielt Waltz einen notorischen Schwindler mit dem Traum, ein Künstler zu sein, der dann eine Frau findet, die Bilder für ihn malt, mit der er ein Imperium des Kitsches aufbaut und die er doch komplett in seinen Schatten verbannt. Eine wahre Geschichte, die nur deshalb nicht vollkommen absurd klingt, weil Waltz mit leuchtender Begeisterung in den Augen voranstürmt - und den ganzen Film immer wieder mitzieht.

Aber kann oder will der reale Waltz seine Arbeit erklären? Was er in der Dokumentation über sich selber sagt, ist widersprüchlich, und ein Off-Text, der alles noch einmal durch die Phrasen-Dreschmaschine jagt, um es zu interpretieren, tut dem Mann einige Gewalt an. Ein Motiv taucht in den Selbstbeschreibungen allerdings immer wieder auf: Er könne nichts spielen, sagt Waltz, was nicht im Text seiner Rollen angelegt sei - Improvisieren liege ihm gar nicht. So erklärt sich seine ewige Dankbarkeit für die Tarantino-Dialoge, so erklärt sich aber auch sein Schulterzucken, wenn gutbezahlte Hollywood-Rollen in den letzten Jahren verpufft sind: Er kann nur mit dem arbeiten, was ihm angeboten wird.

"Ich hab keine Mission, ich will nur genau sein", sagt er einmal. Und so beiläufig das klingt, so fundamental wird es, wenn man das Waltz-Werk noch einmal insgesamt in den Blick nimmt. Schauspieler mit Mission kommen vielleicht in den Himmel - die genauen aber, wie Waltz, wirklich überall hin.

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