Süddeutsche Zeitung

Film über Steueroasen:Sogar Hollywood ist sauer

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Von Tobias Kniebe

Bei den Filmfespsielen in Venedig bekommt man gerade den Eindruck, auch Hollywood-Regisseure seien auf einmal Teil einer großen Bewegung. Egal ob das James Gray mit seinem neuen Film "Ad Astra" mit Brad Pitt in der Hauptrolle ist oder Todd Philipps mit seinem anarchischen "Joker" - es scheint, als wäre die Wut auf die Missstände der Gegenwart im Herzen des amerikanischen Kinos angekommen.

Das trifft auch auf den Film "The Laundromat" zu, der am Sonntag Premiere hatte. Der Versuch von Autor Scott Z. Burns und Regisseur Steven Soderbergh, sich einen Reim auf die weltweiten Enthüllungen der Panama Papers zu machen, ist nicht nur einer der am heißesten erwarteten Filme des Festivalss, sondern auch einer der politischsten.

Statt einer zentralen Performance von einem einzigen Schauspieler gibt es in "The Laundromat" viele herrliche Miniaturen. Das beginnt schon damit, dass Jürgen Mossack und Ramón Fonseca, die beiden zwielichtigen Anwälte im Herzen der Panama-Papers-Enthüllungen, höchstpersönlich auftreten, gespielt von Gary Oldman und Antonio Banderas. Aber nicht nur das, sie reden direkt mit den Zuschauern, mit starkem deutschen beziehungsweise spanischen Akzent, und erklären ihr Geschäftsmodell wie zwei Entertainer - angefangen beim Geld als solchem und dem Tauschhandel in der Steinzeit, der dann auch gleich mit ein paar Lederschurz-Statisten visualisiert wird.

Ist alles hier also nur eine lustige Farce? Das auch wieder nicht, denn in der nächsten Sequenz sieht man Ellen (Meryl Streep), eine Rentnerin, die mit ihrem Ehemann eine Bootsfahrt auf dem Lake George in New York unternimmt - und ihn dann verliert, als das Boot kentert. Dies ist eine reale Tragödie, und der Film nimmt das Leid durchaus ernst, genau wie den zusätzlichen Tiefschlag, als die Versicherung des Kapitäns nicht bezahlt, weil dahinter eine Scheinfirma steckt. Die Spur führt auf die Karibikinsel Nevis und dann nach Panama, zur Kanzlei Mossack Fonseca.

Kann das alles so wild und verrückt gewesen sein, wie man es hier sieht?

Derweil fungieren Mossack und Fonseca weiter als Zeremonienmeister - offenbar mit dem Ziel, sich selbst in ein besseres Licht zu rücken, in die Rolle von bloßen Erfüllungsgehilfen. Sie erzählen Geschichten von Verrat und Ehebruch, Geschäftstricks, Erpressung und Mord, die dann gezeigt werden, die alle irgendwie zu ihrer Kanzlei in Panama führen: überdreht wie ein Tarantino-Film, doch sehr vieles, wenn nicht sogar alles ist wahr. So wie der Tod eines Mannes in einem Hotelzimmer in China, der von der Frau des chinesischen Handelsministers Bo Xilai vergiftet wurde - nach einem Disput über Offshore-Geschäfte in Panama, die Bestechungsgelder aus China schmuggeln sollten.

Ellen alias Meryl Steep aber ist ein Opfer, das es genauer wissen will - sie fliegt selbst auf die Karibikinsel, fragt herum, sucht Verbündete in ihrem Kampf. Die findet sie dann auch, als ein Unbekannter die Server von Mossack Fonseca hackt, Tausende Dokumente kopiert und der Süddeutschen Zeitung zuspielt - dies wird kurz in einem Newsclip erzählt, in dem SZ-Journalist Bastian Obermayer über die Herkunft des Materials spricht. Wer dieser Unbekannte war, weiß in diesem Film natürlich auch keiner, aber darüber erlaubt sich Soderbergh am Ende einen kleinen Scherz.

"The Laundromat" ist mit dem typischen Soderbergh-Schwung erzählt und äußerst unterhaltsam, was am Ende sein eigentliches Ziel gefährden könnte, die Zuschauer zum politischen Handeln zu motivieren. Kann das alles so wild und verrückt gewesen sein, wie man es hier sieht? Man muss schon fast eine Suchmaschine anwerfen, um die Details zu verifizieren, bevor man es wirklich glaubt. Und doch ist die Botschaft klar: Mossack und Fonseca, die am Schluss ihre Panamahüte aufsetzen und davonstolzieren, sind nicht der wahre Kern des Problems. Die größte Steueroase der Welt sind immer noch die USA, informiert der Abspann, und daran wird sich nichts ändern, bis die Wahlkampffinanzierung reformiert ist - auf in den Kampf!

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