Süddeutsche Zeitung

Kriegsdrama "American Sniper":Superheld mit Talent zum Töten

Lesezeit: 2 min

Clint Eastwoods Film über den Scharfschützen Chris Kyle ist in den USA ein Kassenschlager - obwohl er den Irakkrieg zum Thema hat. Grund für den Erfolg könnte Hauptdarsteller Bradley Cooper sein.

Von Susan Vahabzadeh

Es gibt eine Größenordnung von Erfolg, die in letzter Zeit Comic-Verfilmungen vorbehalten ist, dem Superhelden-Kino. In den USA hat am vergangenen Wochenende nun der neue Film von Clint Eastwood mehr als 100 Millionen Dollar eingespielt - besser ist selbst "Guardians of the Galaxy", der erfolgreichste Film des letzten Jahres in Amerika, nicht gestartet.

Ein Kriegsfilm und sechsfacher Oscar-Kandidat spielt normalerweise nicht in dieser Liga der Kassenknüller mit - die ist eher dem kurzweiligen Entertainment vorbehalten. Nun fragt sich ganz Hollywood, was da mit dem amerikanischen Publikum passiert ist.

Den "American Sniper" gab es wirklich. Clint Eastwood hat die Geschichte des Navy-Seal-Elitesoldaten Chris Kyle verfilmt, der nach seiner Heimkehr aus dem Irak für einen sehr speziellen Rekord berühmt wurde - mit 160 bestätigten "Kills" galt er als der tödlichste Scharfschütze der amerikanischen Militärgeschichte. Seine Autobiografie wurde ein Bestseller - dann wurde er daheim in Texas erschossen, von einem anderen, offenbar schwer traumatisierten Irak-Veteranen.

Stärke statt Zerbrechlichkeit

Woran liegt es nun, dass ausgerechnet dieser Film rekordverdächtig erfolgreich ist - wo es doch in den vergangenen Jahren in Hollywood als ausgemachte Sache galt, das ganz große Publikum wolle den Irakkrieg nicht auf der Leinwand sehen?

Vielleicht kommt der von Bradley Cooper verkörperte Chris Kyle ja auf der Leinwand tatsächlich rüber wie "Captain America" - und weniger wie ein realer, zerbrechlicher Mensch. Das Branchenmagazin Variety ließ einen Veteranen über "American Sniper" schreiben, der ganz hingerissen war von Eastwoods Film und Kyle, dem er im richtigen Leben nie begegnet ist, den Filmhelden und den echten Kyle in seinem Text aber mühelos ineinanderfließen lässt: Cooper hat das reale Vorbild längst überlagert.

Es ist dann aber wohl auch so, dass der Irakkrieg beginnt, sich für das amerikanische Publikum aus der Gegenwart herauszulösen und Geschichte zu sein - es ist immer leichter, die Dinge in der Retrospektive zu verhandeln. Auf jeden Fall scheinen die Amerikaner in diesem Film etwas zu sehen, hinter dem sie sich versammeln können. "American Sniper" sei in Staaten, in denen mehrheitlich demokratische Wähler wohnen, genauso erfolgreich wie in republikanisch dominierten, meldet das Studio.

Sehnsucht nach Ordnung

Angst eint, und die Hoffnung auf Sicherheit verschiebt die Maßstäbe, was man für eine angemessene Reaktion hält. Zu Krieg und Gewalt auf der Leinwand hat man in den USA generell ein entspannteres Verhältnis als in Europa. Aber auch hier kann man ja derzeit beobachten, wie das erschütterte Sicherheitsempfinden die Sehnsucht erzeugt, um einen hohen Preis die Ordnung wiederherzustellen.

Eastwood selbst, der als Republikaner gilt, will den Film lieber nicht als Glorifizierung oder Rechtfertigung des Irakkriegs verstanden wissen. Die beiden Filme, die er während des Irakkriegs über den Zweiten Weltkrieg machte, "Flags of Our Fathers" und "Iwo Jima", der Gegenschuss aus der japanischen Perspektive, ließen das schon vermuten.

Als er "Sniper" im Dezember in L. A. vor Mitgliedern der Oscar-Academy zeigte, sagte er, er sei von Anfang an gegen den Irakkrieg und den Einmarsch in Afghanistan gewesen. Und überhaupt: "Im Gegensatz zu dem, was über mich verbreitet wird, verabscheue ich Gewalt."

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SZ vom 22.01.2015
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