Süddeutsche Zeitung

Rücktritt von Christine Haderthauer:Sie ist doch verwundbar

Lesezeit: 4 min

Christine Haderthauer ist keine Frau, die von sich aus aufgibt. Und so überrascht an ihrem Rücktritt als Staatskanzleichefin vor allem, dass er so kleinlaut erfolgt. Für die Opposition ist der Fall noch nicht ausgestanden.

Von Katja Auer und Mike Szymanski, München

Im Moment ihres Scheiterns greift Christine Haderthauer ausnahmsweise mal nicht an. Sie tritt zurück. Und das lässt sie selbst einfach mal so stehen. Keine Widerworte, keine Attacken.

Es ist kurz nach 18.30 Uhr in der Staatskanzlei, als Haderthauer den Raum betritt, in dem sie sonst immer nach den Kabinettssitzungen die Politik der CSU für Bayern erklärt hat. Jetzt erklärt sie sich. Pinkfarbenes Sakko. Die Hände ganz still. Ihr Blick entschlossen. Sie erzählt, dass sie heute ein Gespräch mit Horst Seehofer hatte.

Der Regierungschef ist den ersten Tag aus dem Urlaub zurück. Natürlich ging es um die Modellbau-Affäre. Worum sonst. Gab ja fast kein anderes Thema mehr über den Sommer, als die Geschichte von den Haderthauers, von Christine und ihrem Mann, dem Landgerichtsarzt Hubert, die mit Modellautos Geschäfte gemacht haben. Autos, die von kranken Straftätern in der Forensik gefertigt wurden.

Der Entschluss der Kriegerin

Sie hätten sich "freundschaftlich" miteinander unterhalten, erzählt Haderthauer. Was man so sagt. Und sagen muss: Es sei ihr Entschluss gewesen, den Posten freizumachen. Wochenlang wollte die Politikerin nicht einsehen, dass das alles andere als ein ganz normales Business war. Dann wurde auch noch bekannt, dass die Staatsanwaltschaft gegen Christine Haderthauer wegen Betrugsverdachts ermittelt. Ein früherer Geschäftspartner fühlt sich übers Ohr gehauen. Das war Anfang August.

Seehofer hatte erklärt, er werde zu ihr stehen, bis die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen abgeschlossen seien und er mehr wisse. Aber so weit kommt es nicht. Haderthauer sagt: "Damals wie heute bin ich davon überzeugt, dass ich die juristischen Vorwürfe vollständig ausräumen kann." Aber ihr ist die Zeit davon gelaufen. Die Staatsanwälte steigen jetzt zum Ende der Sommerpause erst richtig in den Fall ein. Sie sagt, sie wolle nicht, dass die Debatte über die früheren Geschäfte ihre gesamte Arbeit überlagert. Sie will Schaden vom Amt abwenden.

Urlaub in der Krise

Haderthauer hatte Zeit, sich mit diesem Gedanken anzufreunden. Sie ist ja keine Frau, die von sich aus aufgibt. Verlieren? Das gehört nicht zu ihrer mentalen DNS. Als Generalsekretärin hatte sie die CSU 2008 in ihre bis dahin größte Niederlage geführt. Ihrer Zukunft schadete das nicht. Als Seehofer Erwin Huber und Günther Beckstein beerbte, berief er die Ingolstädterin zur Sozialministerin. Viel mehr als Haderthauer und große Probleme nahm er nicht mit aus den Huber- und Beckstein-Jahren der CSU.

Haderthauer hatte sich seither unverwundbar gefühlt. So kaltschnäuzig und egoistisch machte sie oft Politik. Sie fühlte sich wie eine Kriegerin und pflegte ihr Image sogar noch. Viele Freunde, auf die man dann in Krisen zählen kann, hat man so natürlich nicht. Einer war ausgerechnet Seehofer. Anfang August soll er ihr die Frage gestellt haben: "Bist Du mit Dir im Reinen?" Dann fuhr sie in den Urlaub. Ihre Art Abwesenheitsmitteilung war auf Facebook ein Foto von einem See. Die Botschaft: Ich bin mal kurz weg.

Aber die Affäre ließ sie nicht los. Fast jeden Tag kamen neue Details ans Licht. Zuletzt kaum etwas, was für sich allein einen Rücktritt erzwingen würde. Aber Unangenehmes. Ein Foto von ihrem Mann Hubert, wie er Anfang der Neunzigerjahre mit dem Modellbauer und Dreifachmörder Roland S. zusammensteht und Wein trinkt.

Auch Seehofer ließ die Affäre im Urlaub nicht los. Er besprach sich mit Parteikollegen. Fragte Leute aus dem Bekanntenkreis. Wie seht Ihr das? Wie Seehofer so ist. Er nimmt Stimmungen auf. Und die Stimmung für Haderthauer kippte. Sie selbst machte den größten Fehler bei der letzten Sitzung des Kabinetts vor der Sommerpause. Da teilte sie noch mal aus und nannte die Geschäfte ein "von Idealismus getragenes Engagement finanzieller Art". Seehofer bebte. "Grottenfalsch!" Jetzt hatte sie selbst die Frage der Moral gestellt. Die betroffenen Modellbauer und früheren Geschäftspartner teilten mit, es sei nur ums Geld gegangen.

Bayern hat genug Probleme

Seehofer spürte, dass das Thema nicht mehr verschwand. Aber er braucht in der Staatskanzlei eine Frau, die ihm mit aller Kraft zur Verfügung steht. Gerade jetzt. Bayern blamiert sich dabei, wie der Freistaat mit Flüchtlingen umgeht. Die von der CSU geforderte Pkw-Maut für Ausländer entwickelt sich zum Debakel. Das Gymnasium soll im Herbst reformiert werden.

Wegen der Summe der vielen Details hatte manch einer schon viel früher mit Haderthauers Rücktritt gerechnet. Die Opposition hatte nicht nur einen Untersuchungsausschuss angekündigt, sondern für den 16. September auch eine Sondersitzung des Landtags erzwungen. Um Seehofer zum Handeln zu bewegen.

Krisentreffen am frühen Abend

Doch der hatte zunächst zu Haderthauer gestanden. "Sie hat mein volles Vertrauen", sagte er noch am 23. Juli und bestätigte das sechs Tage später noch einmal: "Die Frage nach persönlichen Konsequenzen stellt sich nicht." Als die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren wegen Betrugsverdachts gegen Haderthauer einleitete, schwand der Rückhalt. Wenige Tage später klang seine Unterstützung nicht mehr so bedingungslos: Ob sie im Amt bleiben könne, hänge vom Ausgang des Ermittlungsverfahrens ab und davon, ob es neue Enthüllungen gebe. Dann forderte er von ihr eine schnelle Aufklärung der Vorwürfe.

Und dann kommt dieser Montagabend.

Christine Haderthauer ist als Staatskanzleichefin erst kurz Vergangenheit. Im Foyer der Staatskanzlei hört man sie noch. Dort laufen für Besucher Filme, in denen die Arbeit der Regierungszentrale zu sehen ist. Ganz groß dabei: Haderthauer.

Am frühen Abend hat Seehofer zum Krisentreffen eingeladen. Innenminister Joachim Herrmann ist gekommen. Alexander Dobrindt, der wahrlich genug eigene Probleme hat, kommt auch. Seine Oberbayern-CSU kämpft nun darum, bei der Nachfolge nicht unter die Räder zu kommen. Einer wird Karriere machen. Für Haderthauer ist sie erst mal vorbei. So schnell geht das.

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Quelle:
SZ vom 02.09.2014
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