Süddeutsche Zeitung

Coronavirus in Rosenheim:"Importierte Infektionen"

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Von Matthias Köpf, Rosenheim

Die exakten Zahlen unterscheiden sich je nach Quelle und steigen von Tag zu Tag, doch eins bleibt in der Corona-Krise schon seit Längerem gleich: Die Region Rosenheim und der benachbarte Landkreis Miesbach nehmen in der Übersicht der Robert-Koch-Instituts stets vordere Plätze ein, was die Zahl der Infizierten pro 100 000 Einwohner betrifft.

Nach den Zahlen vom Donnerstag lag die Region, in der mehr als 420 000 Menschen leben, bei der Infektionsrate zwar noch immer weit hinter Spitzenreiter Tirschenreuth, doch der Landkreis Rosenheim nahm in der deutschlandweiten Übersicht wieder Platz vier ein, der Landkreis Miesbach folgte auf Platz fünf. Der Leiter des Rosenheimer Gesundheitsamts, Wolfgang Hierl, führt das vor allem auf die Nähe zu Tirol und Südtirol und auf die guten Verkehrsverbindungen dorthin zurück.

Durch das Inntal gelangen die Rosenheimer auch tageweise schnell in die Tiroler Skigebiete, die in diesem Winter zu Risikogebieten und Infektionsherden geworden sind. Entsprechend gebe es "eine Vielzahl importierter Infektionen aus Tirol und Südtirol", sagt Hierl, der schon am Dienstag konstatieren musste, dass es allein in Stadt und Landkreis Rosenheim mehr als 1000 Infizierte gibt - mit einer entsprechenden Zunahme an den folgenden Tagen, denn viele Infizierte geben das Virus auch an umso mehr andere Menschen weiter.

Zugleich verweist Hierl auf die Dunkelziffer nicht registrierter Infektionen. Diese Dunkelziffer sei wegen der vergleichsweise vielen Tests in der Region Rosenheim sehr wahrscheinlich niedriger als anderswo, was ebenfalls eine Erklärung für die hohen Fallzahlen sein könnte. Zugleich ist in der Region die Dichte an Privat-, Spezial- und Rehakliniken relativ hoch, was Spielräume bei der Patientenversorgung eröffnet. So wurden 41 Bewohner eines Altenheims, das die Behörden am Mittwoch wegen einer grassierenden Corona-Infektion vollständig räumen ließen, vorerst ausschließlich in privaten Kliniken untergebracht. Die öffentlichen RoMed-Kliniken von Stadt und Landkreis Rosenheim haben nach Angaben von Geschäftsführer Jens Deerberg-Wittram vom Mittwoch ein separates Bettenhaus mit 200 Plätzen für leichtere Corona-Fälle reserviert. Dort lägen derzeit rund 90 Patienten. Für schwere Fälle gebe es 39 voll ausgestattete und mit geschultem Intensiv-Personal besetzte Beatmungsplätze, von denen gut die Hälfe belegt seien. Dazu kämen bei Bedarf etwa 20 weitere Plätze mit eigentlich nicht für den Dauerbetrieb ausgelegten Narkose-Beatmungsgeräten sowie im Notfall noch ein gutes Dutzend Heimbeatmungsgeräte.

Mit Triageszenarien, bei denen die Ärzte entscheiden müssen, wen sie überhaupt noch behandeln können, müsse man sich auf absehbare Zeit noch nicht beschäftigen, sagt Deerberg-Wittram. Damit das so bleibt, plädiert er aber dafür, Corona-Patienten aus Rosenheim in andere Regionen zu verlegen, wo ebenfalls in großem Stil Kapazitäten aufgebaut würden, während die Fallzahlen dort noch relativ gering seien.

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Quelle:
SZ vom 03.04.2020 / kpf
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