Süddeutsche Zeitung

Streit in Regensburg:Haus Wittelsbach verlangt Absetzung eines Musicals

Lesezeit: 3 min

Von Andreas Glas, Regensburg, und Johann Osel, Regensburg/München

Man muss suchen, eine ganze Weile, und sehr genau hinschauen, um dann doch noch ein Plakat im Foyer des Regensburger Theaters zu entdecken. Rechts von der Kasse, man übersieht es fast zwischen all den anderen Plakaten an der Wand. Fast könnte man meinen, das Theater habe das Plakat absichtlich versteckt. Als wolle man dieses Musical nicht prominenter präsentieren als unbedingt nötig. Das Plakat ist in schwarz, weiß und pink gehalten. "Ludwig II." steht darauf geschrieben. Das ist der Titel des Musicals. Und ein Problem.

Von diesem Problem hat das Theater am 11. Dezember erfahren. Per E-Mail. Darin heißt es: "Wir bitten Sie (...) die Vermarktung und den Vertrieb Ihrer Musical Veranstaltungsreihe 'Ludwig II' sofort einzustellen." Und: "Es steht Ihnen selbstverständlich frei, eine andere Bezeichnung, die mit unseren Schutzrechten nicht kollidiert, zu verwenden." Absender der E-Mail ist die "Schloss Kaltenberg Königliche Holding und Lizenz KG", die streng über die Rechte des Hauses Wittelsbach wacht.

Die Wittelsbacher sind bekannt für ihr Kaltenberger Ritterturnier und das eigene Bier, im Fanshop der Brauerei werden zum Beispiel auch Brot, Käse und Süßwaren angeboten, aber auch "König Ludwig Schreibgeräte" oder "royale Präsente" wie Krüge und Broschen. Über Jahre hat man zudem ein internationales Netzwerk für Lizenzen aufgebaut; geschützt sind als Marke etwa Wappen und Namen, darunter "Ludwig", "Ludwig II", "König Ludwig". Diesbezüglich werden die Lizenzen vergeben - beziehungsweise wird bei irregulärer Nutzung eingeschritten. Luitpold Prinz von Bayern, Urenkel des letzten Königs Ludwig III., sagte mal in einem Interview, es sei nötig, "all die Dinge einzufangen, die unter der Ludwig-Flagge segeln", denn "die Marke muss innere Werte, Tradition und Langfristigkeit widerspiegeln".

Als Richtschnur diene "die simple Frage: Was würde König Ludwig heute kaufen? Bekanntlich stellte er höchste Ansprüche. Man muss nicht jeden Unsinn mit König Ludwig zulassen". Tassen mit Konterfei und anderes am Souvenirmarkt, vom Senfglas und Kühlschrankmagneten bis zum Weißwurstkessel, sei zwar rechtlich oft kaum einzubremsen, von einigen hundert gewonnenen Verfahren war aber die Rede - zum Beispiel bei einem "König-Ludwig-Markt" mit Ramsch oder royaler Unterwäsche - "fürchterlich viele Sachen, die von schlechtem Geschmack zeugen". Auch "die König-Ludwig-Pizza wird es nicht geben". Die Intervention läuft weltweit, in einem Fall zum Beispiel bei einer "König Ludwig Bier Hall" in Hongkong.

Und künstlerische Darbietungen? Auch bei den Ludwig-Musicals im Festspielhaus Füssen gab es offenbar zunächst einen Streit über die Rechte, man einigte sich außergerichtlich. Inzwischen gibt es "langfristige Kooperationsverträge mit Vertragspflichten", heißt es in der E-Mail der Königlichen Holding an die Macher des Regensburger Stücks. Das Füssener Theater sei zudem als "Ludwig Festspielhaus" Kooperationspartner der Unternehmensgruppe der Wittelsbacher. Dergleichen gebe es im Fall Regensburg nun eben nicht; man sei über regionale Fernsehberichte auf das Musical aufmerksam geworden. Daher müsse das Stück eingestellt oder umbenannt werden. Gleichwohl strebe man durchaus eine "einvernehmliche Lösung" an - gemeint sind wohl kostenpflichtige Verträge. Branchenkreisen zufolge müsste eine solche Lizenz mit etwa anderthalbtausend Euro zu Buche schlagen. Die Königliche Holding ließ am Donnerstag eine Anfrage der Süddeutschen Zeitung dazu unbeantwortet.

Es gehe nicht um irgendwelche Tassen oder andere Merchandisingartikel, sondern um eine "seriöse Stadttheater-Produktion", heißt es beim Stückgut Bühnen- und Musikverlag, der Komponisten und Librettisten vertritt. Für den Titel "Ludwig II - Sehnsucht nach dem Paradies" gebe es außerdem einen eigenen Markenrechtsschutz, der das Aufführungsrecht beinhalte - die Sache sei also "absurd". Die Sprecherin des Theaters Regensburg äußert sich auf Nachfrage zurückhaltender. Man sei derzeit "in intensiven und wirklich sehr guten Gesprächen" mit dem Haus Wittelsbach und beide Seiten seien "sehr an einer einvernehmlichen Lösung interessiert". Um die Gespräche nicht zu gefährden, wolle man sich näher nicht äußern.

Dass Einigungen möglich sind, zeigte ein Fall, der im Sommer am Landgericht München verhandelt wurde. Luitpold von Bayern war erfolgreich gegen den Einsatz des Familienwappens auf Hemden und Kappen in Souvenir-Shops an bayerischen Schlössern vorgegangen. Er hatte die Betreiberfirma der Läden, die per Vertrag mit der staatlichen Schlösser- und Seenverwaltung Museumsshops unterhält, der Verletzung der Rechte bezichtigt. Das Gericht ließ erkennen, dass es diese Auffassung teilt. Eine Anwältin des früheren Königshauses sagte dem BR, dies sei ein "Zeichen an alle Souvenirhändler, dass sie ihr Sortiment überdenken müssen". Die Kammer regte einen Vergleich an. Die Firma erklärte aber, jene Artikel seien ohnehin bereits aufgebraucht und nicht mehr im Verkauf. Das Stück in Regensburg freilich läuft bis Juni 2020. Die nächste Aufführung ist fast ausverkauft. Es gibt nur noch Restkarten.

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Quelle:
SZ vom 20.12.2019
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