Süddeutsche Zeitung

Kriminalität:Der Polizist, der in Bayern Hass und Hetze bekämpfen soll

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Als neuer Beauftragter gegen Hasskriminalität und Antisemitismus soll Michael Weinzierl Strategien entwickeln, um Straftaten einzudämmen. Auch die Gesellschaft ist gefragt.

Von Johann Osel

Bayerns Polizei verstärkt den Kampf gegen Hasskriminalität und Antisemitismus - und bekommt dazu einen eigenen Beauftragten. Kriminaloberrat Michael Weinzierl ist im Landeskriminalamt nun für diese Aufgabe zuständig. Innenminister Joachim Herrmann, der Antisemitismusbeauftragte der Staatsregierung Ludwig Spaenle, und Justizminister Georg Eisenreich (alle CSU) haben den 46-Jährigen am Donnerstag vorgestellt.

Weinzierls Arbeitsschwerpunkt lag bisher in der Opfer- und Angehörigenbetreuung. Er soll jetzt die Bekämpfungsstrategien gegen Hass und Hetze weiterentwickeln, die Aus- und Fortbildung forcieren und künftig Ansprechpartner sein für andere staatliche Stellen wie Betroffenengruppen.

Selbst ermitteln wird Weinzierl nicht, das verbleibt bei konkreten Straftaten bei den zuständigen Polizeiinspektionen und dem Staatsschutz. Weinzierl sei "ein hochqualifizierter Experte und hervorragend für diese anspruchsvolle Aufgabe geeignet", erklärte Minister Herrmann. "Wenn Menschen wegen ihrer Nationalität, Hautfarbe, Religionszugehörigkeit oder aber ihrem Geschlecht oder ihrer sexuellen Orientierung Opfer werden, sprechen wir von Hasskriminalität. Eine besonders verwerfliche Form von Straftaten."

Die Zahl dieser Delikte ist laut Statistik in Bayern von 2017 bis 2021 um rund 70 Prozent gestiegen. Das Dunkelfeld dürfte freilich immens sein, Brandbeschleuniger ist das Internet. Bei antisemitischen Straftaten gab es in dem Zeitraum einen Anstieg von knapp 250 Prozent. Im vergangenen Jahr, für das noch keine abschließende Auswertung vorliegt, gab es zwar einen leichten Rückgang. "Das ist aber keine Entwarnung: Die Zahlen der antisemitischen Straftaten und der Hasskriminalität bleiben erschreckend hoch", sagte Herrmann.

Auch für Opfer sei es oft schwierig, die Taten zu klassifizieren

Beauftragter Weinzierl will sich zunächst der Vernetzung widmen, geplant sei ein "von Anfang an offener und regelmäßiger Austausch", eben auch mit Betroffenenverbänden. Zudem gehe es ihm um den Blick in die Polizei, die "Sensibilisierung für Betroffene von Hasskriminalität" soll über Aus- und Weiterbildung weiter geschärft werden. Allgemein sei es oft schwierig, auch für Opfer, diese Taten zu klassifizieren. Bayerns Polizeibeamte sollen sich "der eigenen Haltung bewusst machen", das stehe für eine "nahbare und moderne Polizei".

Impulse sollen auch für die gesamte Gesellschaft entstehen. Man müsse kein Held sein, um bei Hassrede Nein zu sagen, sagte Weinzierl. Am Stammtisch, am Gartenzaun, im Netz, ergänzte Justizminister Eisenreich, sei es "unfassbar hilfreich", wenn statt einer Bestärkung justiziabler Aussagen ein Widerspruch oder ein Infragestellen komme. "Hass und Hetze haben sich zu einer echten Gefahr für die Demokratie entwickelt", die Corona-Pandemie habe das verstärkt. Als Pendant auf Seiten der Staatsanwaltschaften stehen Weinzierl eine Hate-Speech-Beauftragte und ein Antisemitismusbeauftragter der bayerischen Justiz zur Seite.

Ludwig Spaenle nannte Hasskriminalität das "Krebsgeschwür einer freien Gesellschaft". Er freue sich durch Weinzierls Benennung über "einen weiteren Schritt im konsequenten Kampf gegen Judenhass". Im Bildungsbereich, schulisch wie außerschulisch, komme eine umfassende Präventionsarbeit dazu.

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