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Konzertsaal in Nürnberg:Ein Interim für die Ewigkeit?

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Oper, Ballett, Staatsphilharmonie auf dem bekanntesten Nazi-Areal der Republik, das hat interimistisch zweifellos einen Reiz. In Nürnbergs Stadtpolitik aber bringt mancher schon einen Dauerumzug ins Spiel.

Kolumne von Olaf Przybilla

Es wäre Nonsens zu behaupten, dass Joana Mallwitz das Staatstheater Nürnberg allein deshalb verlassen hat, weil die Stadt zuvor den geplanten neuen Konzertsaal abmoderiert hatte. Die ehemalige Generalmusikdirektorin dirigiert nun in Berlin - und wird dort gefeiert, was niemanden verblüffen wird, der diese Frau in Nürnberg erlebt hat.

Im SZ-Gespräch freilich hat Mallwitz, damals noch Nürnbergerin, auch keinen Hehl daraus gemacht, dass sie das "Konzertsaal-Moratorium" für einen Großfehler hält. Allein die aneinander gewachsenen Städte Nürnberg, Fürth, Erlangen und Schwabach ergäben zusammen die fünftgrößte Stadt der Republik - und in der soll's auf lange Sicht keinen klanglich akzeptablen Saal für orchestrale Musik geben? Im verfassungsmäßigen "Kulturstaat" Bayern?

Spitzenmusiker könnte aber noch anderes von Nürnberg abhalten künftig. Zwar hat der Stadtrat beim Beschluss, eine Interimsspielstätte in der von den Nazis nie fertig gebauten Kongresshalle zu errichten, festgelegt: Das Staatstheater samt Staatsphilharmonie wird nach der Sanierung des Bauensembles am Richard-Wagner-Platz ins Stadtzentrum zurückkehren.

Aber bevor der erste Spatenstich am Interim auch nur in Reichweite ist, wird exakt das bereits infrage gestellt. So hat der profilierteste Kopf der Stadtrats-Grünen, Achim Mletzko, die Nürnberger Nachrichten (NN) nun wissen lassen: "Ich gehe davon aus, dass aus dem Interim ein andauernder Spielort wird."

Einen dauerhaften Umzug der Kultur ins Halbniemandsland, das müsste man schon mögen

Öha. Nürnbergs Staatsphilharmoniker haben damit nicht nur kaum eine Perspektive auf einen passablen Spielort auf absehbare Zeit. Sie müssen zusätzlich im Blick haben, dass aus "Kostengründen" die Stimmung in der Stadtpolitik kippen könnte. Und sie sich womöglich für alle Zeiten auf einen Arbeitsplatz im Stadtsüden einstellen müssen. Und zwar auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände.

Dass ein Interim dort den Reiz der Herausforderung hat, ist nicht zu bestreiten. Einen dauerhaften Wegzug aber der Kultur - Oper, Ballett, Philharmonie - aus dem Nürnberger Zentrum ins topografische Halbniemandsland, das müsste man schon mögen.

Am Staatstheater waren bislang die meisten für eine Ersatzspielstätte auf dem ehemaligen NS-Gelände. Jetzt, wo gar ein "Interim für die Ewigkeit" (NN) dräut, könnte sich das ändern.

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