Süddeutsche Zeitung

Landtagswahl in Bayern:Fresh, frech, CSU?

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CSU-Politiker bemühen sich, junge Wähler mit jugendlichem Auftreten zu erreichen - etwa Partyminister Andreas Scheuer. Oder "I bims, der Charly"-Freller.

Von Ingrid Fuchs

Wer schon mal einen CSU-Parteitag verfolgt hat, hätte es ahnen können: Hinter der oft bürgerlich-biederen Fassade von so manchem Trachtenjankerträger versteckt sich der kecke Geist eines junggebliebenen Partytiers. Wummernde Bässe begleiten schon den Einlauf der Parteispitze beim offiziellen Teil eines Parteitags. Am Abend gibt es häufig noch ein Delegiertentreffen, mit DJs, Tanzmusik und nicht zu wenig Alkohol. Das kann sich bis in die frühen Morgenstunden ziehen.

Ganz ohne Delegierte, aber vor einer offensichtlich feierwütigen Menschenmasse, hat sich nun Andreas Scheuer an die Turntables gestellt und die Stimmung in der frisch eröffneten Disco "Lobo" aufgeheizt. Gut, man erkennt im Video nicht so recht, ob die Menge tanzt, weil oder obwohl der Bundesverkehrsminister sie anfeuert. Jedenfalls steht Scheuer da in hellblauem Hemd und legerer Jacke hinterm DJ-Pult eines "Nightclubs" im niederbayerischen Waldkirchen - man darf das getrost als Scheuers ureigene Hood bezeichnen -, brüllt ins Mikro, die Kopfhörer auf nur einem Ohr, und hüpft dynamisch zu den Bässen. Fast 44 und so jugendlich - ist das Wahlkampf oder ist der so?

Nur etwa 25 Prozent der Unions-Wähler bei der Bundestagswahl waren unter 30, ein Großteil dagegen über 60. Bei den Grünen war es andersrum, mehr junge, weniger alte. Was also tut man in der CSU, um auch die Menschen unter 30 zu gewinnen?

Scheuer hat seine eigene Strategie. Er ruft einem Haufen junger Leute in der niederbayerischen Disco zu: "Danke für dieses Invest in unserer Region - und ihr könnt immer dafür sorgen, dass das Lobo voll ist." Als die Musik aufgedreht wird, irgendwas techno-elektrisch-party-mäßiges, springt nicht nur Scheuer, sondern die ganze Tanzfläche.

Erst kürzlich hat sich Scheuer mit dem Formel-1-Weltmeister Nico Rosberg im Kart-Fahren duelliert. Sein Amtsvorgänger Alexander Dobrindt hat als "DJ Mauti" womöglich mehr Erfolge gefeiert denn als Minister, ganz genau lässt sich das aber nicht eruieren.

Der laufende Wahlkampf treibt übrigens auch manch bodenständige Politiker in experimentelle Formate. Warum sonst sollte sich ein 62-jähriger seit Urzeiten der CSU angehörender Mittelfranke mit "I bims, der Charly vong CSU her" an jüngere Wähler ranpirschen? 1982 ist Karl Freller in den bayerischen Landtag gewählt worden - mit 26 Jahren und damals als bislang jüngster Abgeordneter in der Geschichte. "Wählen Sie kein Klischee. Wählen Sie einen Politiker mit Herz, Haltung und Humor", sagt Freller am Ende des Videos und man möchte dem gemütlichen Herrn gerne glauben - aber längst nicht allen Parteifreunden würde man das abnehmen.

Etwa dem Mann, der als bislang jüngster Politiker "aller Zeiten" ins Amt des bayerischen Ministerpräsidenten gewählt wurde. 51 Jahre ist Markus Söder alt. Salopp gesagt: für Politiker-Verhältnisse recht knackig. Er twittert fleißig, postet Tierbaby-Fotos und lässt die Leute, ob sie wollen oder nicht, an seinem Leben teilhaben. Ein Barack Obama, der es vermochte, Menschen ganz neu für Politik zu begeistern, ist Söder aber nicht. Er ist immer noch dabei, in die Rolle des Landesvaters hineinzuwachsen - und der ist in Bayern eher mal gesetzt oder wuchtig als allzu dynamisch. Leichter als zuvor hat es die CSU bei den jungen Wählern also wohl trotz Söder nicht.

Die Grünen kommen schon qua Spitzenkandidaten viel jugendlicher daher. Katharina Schulze ist 33 und muss sich nicht anstrengen, wie eine 33-Jährige zu sprechen. Der männliche Grünen-Spitzenkandidat, Ludwig Hartmann, ist im Juli 40 geworden - und damit überhaupt erst alt genug, um als Ministerpräsidentenkandidat anzutreten. Der Grund übrigens, warum sich Markus Söder an diesem Mittwochabend im BR-Fernsehen mit ihm duelliert und nicht mit Schulze.

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