Süddeutsche Zeitung

G-7-Gipfel in Elmau:Die Gipfel-Fotografen

Lesezeit: 4 min

Zwei Hobbyfotografen aus Mittenwald sind seit Wochen nahezu rund um die Uhr unterwegs, um auch das zweite G-7-Treffen vor ihrer Haustüre zu dokumentieren. Schon das erste im Jahr 2015 hat sie nicht nur Zeit gekostet.

Von Matthias Köpf, Mittenwald

Unter der Zugspitze und dem Wettersteinmassiv gibt es gerade ziemlich viele Menschen, die sich sehr intensiv mit dem G-7-Gipfel auf Schloss Elmau befassen. Seit Wochen schieben Tausende Polizisten und andere Beamte aus Bayern und ganz Deutschland Überstunden im Landkreis Garmisch-Partenkirchen, Feuerwehren und Rettungsdienste haben sich vorbereitet, in den längst ausgebuchten Hotels schuftet das Personal. Und doch dürften sich vor dem Gipfel, der an diesem Sonntag beginnt, wohl die wenigsten so intensiv mit dem Ereignis befasst haben wie Fabian Rößler und Peter Reindl.

Als Mitte Januar neben dem inzwischen asphaltierten und mit Landeplätzen markierten Wandererparkplatz in der Elmau die ersten Polizeihubschrauber einschweben: Rößler steht da und drückt drauf. Um das Schloss wird ein 16 Kilometer langer Zaun gezogen: Rößler und Reindl halten alles fest. Drunten in Mittenwald erzählt einer, dass die Polizei einen fast vergessenen Steig hinauf zur Ederkanzel neu befestigt hat: Rößler und Reindl sind unterwegs.

Bald haben sie in der steilen Bergflanke die Stelle gefunden, wo der Steig abzweigt. Nach ein paar Metern holt Fabian Rößler die Kamera aus dem Rucksack und fotografiert die rote Schleife, mit denen der Steig im Geäst markiert ist. Ins nächste Gipfel-Buch wird es dieses Foto kaum schaffen, und auf die Homepage, die Rößler und Reindl betreiben, wohl auch nicht. Aber so war es ja auch schon vor sieben Jahren. Sicher eine Million Fotos haben die beiden beim ersten Elmauer G-7-Gipfel 2015 gemacht - ein Fehler, findet Rößler heute, denn das waren viel zu viele, um hinterher 300 oder 400 Motive auszuwählen.

Vielleicht war es sogar eine Art Anfängerfehler damals. Dabei haben die beiden Mittenwalder, die seit Kindertagen Freunde und inzwischen 41 und 43 Jahre alt sind, auch schon vor 2015 fotografiert. Im Jahr davor haben sie im Eiskeller der Mittenwalder Brauerei gerade ihre Naturfotos ausgestellt, als sich ein Freund am Handy gemeldet und zum Gipfel gratuliert hat. Er hatte zufällig verfolgt, wie Elmau erstmals offiziell als Austragungsort genannt wurde. "Da muss man was machen", war der erste Gedanke. Und zwar gar nicht unbedingt was dafür oder was dagegen, aber so eine Gelegenheit wollten sie sich eben nicht entgehen lassen.

Und weil Rößler Grafiker und studierter Kommunikationswirt ist und Reindl IT-Systemadministrator, haben sie als Erstes nachgeschaut, ob noch passende Internet-Domains frei waren. Sie waren frei, zu ihrer eigenen Überraschung. Das Bundespresseamt wiederum war dann bald überrascht, dass schon zwei Männer aus Mittenwald die guten Adressen auf sich registriert hatten. Erst verlangte es harsch die Herausgabe, doch nach einer persönlichen Begegnung bei der ersten Bürgerinformationsveranstaltung in Krün - und vermutlich nach einer eingehenden Sicherheitsüberprüfung - waren dann alle schnell miteinander im Reinen. Und so ist es geblieben.

Denn Rößler und Reindl sind auch heute diejenigen, die sowieso immer da sind. Rößler selten perfekt rasiert, stets mit Pferdeschwanz und immer zu Fuß. Er wischt über den leicht gesplitterten Bildschirm seines Mobiltelefons und checkt den Schrittzähler. 325 Kilometer ist er in den ersten drei Juniwochen zu Fuß zu den verschiedensten Schauplätzen unterwegs gewesen. Im April waren es 422, im Mai 450. Peter Reindl nimmt auch mal sein ziemlich vollgestopftes Auto.

Er kommt gern in Outdoorkleidung mit Kappe, schon leichtes Grau im roten Bart, und wenn er bei der Mittenwalder Bergwacht Bereitschaftsdienst hat, dann spitzt die Antenne des Funkgeräts aus der Hosentasche. Irgendwann wissen viele Polizisten und Wachleute, mit wem sie es da zu tun haben. Auf die letzten paar Meter vom neuen Polizeipatrouillensteig über dem Isartal zu dem bewachten Behördenfunkmast, der für den Gipfel auf eine Kuppe im Bergwald gestellt wurde, verzichten Rößner und Reindl jetzt trotzdem. Die Erklärungen lohnen sich in dem Fall wohl nicht. Diese Masten sehen sowieso alle gleich aus, findet Rößler.

Die Mission ist, das Ereignis nur abzubilden

Zu den zahllosen Presseterminen vor dem Gipfel erhalten die beiden Hobby-Fotografen aber ganz selbstverständlich Zugang - auch ohne Presseausweis. Den gibt es nur für hauptberufliche Journalisten. Wenn er sich nicht doch mal schlafen legt, dann beschäftigt sich Rößler zwar seit Wochen mit kaum etwas anderem als dem Gipfel, und auch Reindl, der sonst auswärts für die Telekom den Glasfaserausbau vorantreibt, hat sich Urlaub genommen. Als Journalisten würden sie sich selber aber nicht ansehen, obwohl auf ihren Visitenkarten mit der Schloss-Grafik groß "G7-2022.de Presseportal" steht.

Und wenn sie wirklich nicht selbst zur Presse zählen sollten: Bei Gipfel-Berichterstattern ist ihr Portal beliebt, und die Menschen in der Region klicken auch fleißig, wenn sie wissen wollen, was gerade los ist. Bei all dem haben Rößler und Reindl erklärtermaßen nur die eine Mission, das Ereignis abzubilden - und wenn die Region dabei gut aussieht, soll es ihnen recht sein. Oft sieht sie gut aus, und so findet sich unter vielen Aufnahmen mit eher dokumentarischem Wert auch Etliches, was früher als Postkarte getaugt hätte und sich heute gut auf Instagram machen würde.

All das kostet Zeit, und speziell Rößler hat es 2015 noch viel mehr gekostet. So hat er nicht nur seine kleine Firma für LED-Leuchtrahmen vernachlässigt, sondern auch seine Lebensgefährtin, so dass er hinterher ohne Job und Freundin dastand. Inzwischen gestaltet er Webseiten und Werbematerialien und sammelt seltene Mineralien. Davon, das mit dem Gipfel sieben Jahre später wieder genauso zu machen, hat ihn das nicht abgehalten. Sie hätten kaum anders gekonnt, sagt Rößler, schließlich hätten sie rundum alle gefragt. Peter Reindl, der sich gerade einen Trauring ausgesucht hat, ist das Risiko bewusst. Eigentlich war der Urlaub, den er jetzt genommen hat, für die Hochzeit im September gedacht. Aber es sind ja noch ein paar Tage übrig. "Das eine Mal geht das schon", sagt er, und einen dritten Gipfel in Elmau wird es kaum geben.

"Man kann alles verkaufen, nur nicht sich selber"

Das hatten Rößler und Reindl aber auch vor diesem zweiten gedacht, bis im Herbst die ersten Gerüchte aufgekommen sind. Dass sie auch diesen deutschen Gipfel dokumentieren würden, stand für beide fest, so wie sie auch das G-20-Treffen in Hamburg 2017 fotografiert haben. Dazu gibt es ebenfalls ein Fotobuch, doch dass sich damit die Reisekosten hätten decken lassen, nennt Rößler "utopisch". Große Gewinne haben sie auch 2015 nicht gemacht, bei ein paar Hundert Stück Auflage. "Man kann alles verkaufen, nur nicht sich selber", sagt Rößler über ihre Geschäftstüchtigkeit in eigener Sache.

Klar, sie haben da noch T-Shirts und andere Gipfel-Souvenirs. Aber selbst wenn sie für die eigene Arbeitsstunde nur einen Euro kalkulieren würden, wären sie tief im Minus, überschlägt er. Immerhin fragen in diesen Tagen wieder etliche Polizisten nach dem Buch von damals, und am kommenden gibt es schon Interesse. Diesmal hat zum Beispiel die Firma angefragt, die die Container für das improvisierte Justizzentrum im Skistadion liefert. Rößler hat dort auch schon fotografiert.

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