Süddeutsche Zeitung

Windkraft-Ausbau:Markus Söder und seine leeren Versprechungen

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Der Ministerpräsident und die CSU wollen die 10-H-Regel zum Abstand von Windkraftanlagen aufweichen - und demonstrieren damit nur ihre energiepolitische Planlosigkeit.

Kommentar von Sebastian Beck

Ministerpräsident Markus Söder will seiner Politik der leeren Versprechungen offensichtlich ein neues Kapitel hinzufügen. 10 000 staatliche Wohnungen wollte er bis 2025 bauen, 100 Windräder mal schnell im Staatsforst aufstellen - daraus wurde nichts, und auch die 800 zusätzlichen Windräder, die Söder nun angeblich errichten will (vor vier Wochen waren es noch 500), sind kaum mehr als ein weiterer und zudem schlechter PR-Gag. Offensichtlich haben weder er noch die CSU-Fraktion begriffen, dass man Windkraftanlagen dort bauen muss, wo der Wind weht - und nicht dort, wo man mit dem geringsten Widerstand rechnet.

Vor zehn Jahren war die Staatsregierung schon einmal weiter. Damals erstellte sie mit der "Gebietskulisse Windkraft" ein detailliertes Kartenwerk, wo im Freistaat der Bau von Anlagen infrage kommt und wo nicht. Statt sich daran zu halten, erließ Söders Vorgänger Horst Seehofer die willkürliche 10-H-Regel, die nun mit mindestens ebenso willkürlichen Ausnahmen versehen wird. So soll der Bau von Windkraftanlagen in Industriegebieten und entlang von Autobahnen erleichtert werden - ein geradezu absurdes Vorhaben, das sich aber in die generelle Planlosigkeit der bayerischen Energiepolitik einfügt. Diese bestand in den vergangenen Jahren im Wesentlichen darin, dass man sich mit Zustimmung der Staatsregierung vom Atomstrom und anderen Energieträgern verabschiedete, aber den Ausbau von notwendigen Stromleitungen und Windkraftanlagen verzögerte oder hintertrieb.

Zugleich beten Söder und sämtliche CSU-Politiker bis hinunter zu Gemeinderäten immer wieder die alte Leier vom Aufstieg des Agrarstaats Bayern zum High-Tech-Land herunter. Der war aber nur möglich, weil nebst billigen Rohstoffen und Energie auch die Entschlossenheit zur Modernisierung vorhanden war. Von der Machbarkeitsstudie bis zur Einweihung der Transalpinen Erdölpipeline von Triest nach Ingolstadt vergingen vier Jahre. Eine Wasserstoffleitung über die Alpen? "Irgendwann", sagt Söder.

Die Energiekrise deutete sich schon lange an, durch den Krieg in der Ukraine hat sie sich nur dramatisch verschärft und beschleunigt. Allein im Chemiedreieck Burghausen stehen in den nächsten Jahren Zehntausende Arbeitsplätze auf dem Spiel, falls Grundstoffe und Energie noch teurer werden. Söder ist dazu bisher wenig eingefallen, außer dass das Kernkraftwerk Isar 2 länger am Netz bleiben solle - eine Forderung, die man halt schnell mal raushaut, weil sie nichts kostet, und damit ganz Söders Politikstil entspricht. Dieser ist ausschließlich auf schnellen Erfolg im Tagesgeschäft ausgerichtet. Dabei bräuchte es jetzt konzeptionelle Arbeit und den Willen zur Durchsetzung, wenn Bayern seinen Wohlstand halten will.

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