Süddeutsche Zeitung

Bayern:So viele verletzte Polizisten wie noch nie

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Binnen eines Jahres wurden 22 Polizeibeamte im Dienst schwer verletzt. Hauptkommissar Marco Männer glaubte an einen Routineeinsatz - und war anschließend drei Monate lang dienstuntauglich.

Von Olaf Przybilla, Nürnberg

Noch nie seit der Erfassung von derartigen Übergriffen waren in Bayern mehr verletzte Polizeibeamte zu beklagen. Schwerwiegende Angriffe auf Beamte nehmen also weiter zu, 2022 verzeichnet die Statistik insgesamt 2967 verletzte Polizistinnen und Polizisten; ein trauriger Rekordwert und ein Zuwachs seit 2021 um 12,9 Prozent. 22 Polizisten wurden sogar schwer verletzt - und wie schnell so etwas gehen kann, weiß Polizeihauptkommissar Marco Männer zu berichten.

Als an einem Sonntagnachmittag im Juni 2022 ein Wirt die Polizei um Hilfe bat, eines aggressiven Gastes wegen, klang alles nach einem Routineeinsatz. Die Fürther Gustavstraße gilt als eine der lebendigsten Kneipenstraße in Bayern, da beschwert sich öfters mal jemand. Für den Kommissar aber endete der Hilferuf schwerwiegend, drei Monate lang war er dienstuntauglich. Dabei war Männer gar nicht selbst am Einsatz in der Gustavstraße beteiligt, sondern eilte Kollegen in der Inspektion zu Hilfe, nachdem der 48-jährige Kneipengast dort weiter randalierte.

Gemeinsam fesselte man den Randalierer, die Situation schien schon bereinigt zu sein, auch wenn der Mann weiter Verwünschungen ausstieß gegen "uns und unsere Familienmitglieder", sagt Männer. Als der 48-Jährige dann aber ein Stockwerk tiefer gebracht werden sollte, drohte er sich die Treppe hinunterzustürzen. Ein Gefesselter, der kopfüber mehrere Stufen herabfällt? Wäre womöglich lebensbedrohlich gewesen. Männer stellte sich vor den stark alkoholisierten Mann, der stieß ihn die Treppe hinunter. Mit ausgekugelter Schulter wachte der Kommissar im Krankenhaus auf. Drei Monate nach einer Operation trat er den Dienst wieder an.

Die Zahlen, die Innenminister Joachim Herrmann und Justizminister Georg Eisenreich (beide CSU) am Freitag in Nürnberg vorgestellt haben, sind beklemmend. Nicht nur die Zahl verletzter Polizeibeamter in Bayern hat zugenommen, auch die Zahl gewaltsamer Übergriffe stieg an, insgesamt verzeichnet der Lagebericht 4586 Fälle. Acht der Übergriffe wurden als versuchte Tötung eingestuft, glücklicherweise kamen 2022 keine Polizistinnen oder Polizisten im Einsatz ums Leben. 83 Prozent der Tatverdächtigen waren männlich, 62 Prozent standen - wie im Fall von Marco Männer - unter Einfluss von Alkohol oder Drogen, 15 Prozent waren (ebenfalls wie im Fall Männer) Mehrfachtäter.

"Offensichtlich sinkt bei einigen die Hemmschwelle, Einsatzkräfte bewusst zu verletzen oder deren Verletzung zumindest in Kauf zu nehmen", sagt Herrmann. Verharmlosen dürfe man aber auch psychische Attacken gegen Beamte nicht, ebenfalls wie im Fall von Kommissar Männer. "Auch Beleidigungen können die Betroffenen im dienstlichen bis hinein in den privaten Alltag stark belasten", warnt der Innenminister.

Der Freistaat will die Ausrüstung der Beamten weiter verbessern, in den vergangenen Jahren wurden bereits 120 Millionen Euro in neue Dienstwaffen und Uniformen investiert. "Wer unsere Einsatzkräfte angreift, greift zugleich unseren Rechtsstaat an", sagt Justizminister Eisenreich. Er kündigte an, die Verfahren in priorisierten Fällen - etwa bei Widerstandshandlungen oder "besonders verwerflichen" Taten - weiter zu beschleunigen, damit die Strafe der Tat möglichst rasch folgen kann. Im Fall Männer ist das bedingt geglückt. Rechtskräftig zu einer Haftstrafe verurteilt ist der Randalierer erst seit Kurzem.

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