Süddeutsche Zeitung

Corona-Pandemie:"Wir können das jetzt nicht einfach so laufen lassen"

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Maskenpflicht und Alkoholverbote auf Plätzen, weniger Gäste bei Partys: Markus Söder will am Dienstag die Corona-Regeln in Bayern verschärfen - aber nur für besonders betroffene Orte.

Von Andreas Glas, München

Natürlich ist Markus Söder auch an diesem Montag der Erste, der vor die Presse tritt. Zwei Stunden bevor Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) im Rathaus schärfere Corona-Regeln für seine Stadt bekannt gibt, verkündet Söder in der CSU-Parteizentrale, dass ähnliche Regeln bald auch anderswo in Bayern gelten könnten. "Wir können das jetzt nicht einfach so laufen lassen", sagt er am Morgen über die steigenden Ansteckungen im Freistaat.

Überall dort, wo die Neuinfektionen pro Woche mehr als 50 Fälle je 100 000 Einwohner überschreiten, soll laut Söder künftig eine Maskenpflicht auf öffentlichen Plätzen gelten, auf denen kein Mindestabstand eingehalten werden kann. "Auf solchen Plätzen", sagt Söder, müsse es zudem "ein entsprechendes Alkoholverbot geben". Bereits an diesem Dienstag soll das bayerische Kabinett die neuen Regeln beschließen.

Söder spricht von einem "ethischen Dilemma" zwischen Lebensfreude und Gesundheitsschutz. In der Gastronomie oder bei Kulturveranstaltungen gebe es Hygienekonzepte, "die funktionieren, die sind überprüfbar, die werden auch kontrolliert". Ein großes Problem bestehe dagegen bei privaten Treffen und Feiern, "wo es keine Kontrolle gibt", sagt der Ministerpräsident. Die neuen, schärferen Regeln könnten deshalb neben öffentlichen Plätzen "auch die Größe von Veranstaltungen betreffen". Hochzeiten, Geburtstagsfeiern, Beerdigungen oder Vereinssitzungen in geschlossenen Räumen dürfen derzeit mit maximal 100 Gästen stattfinden, im Freien sind aktuell bis zu 200 Teilnehmer erlaubt. In Städten und Landkreisen, in denen der Inzidenzwert über 50 klettert, könnten diese Treffen bald "wieder kleiner werden", kündigt Söder an.

"Die Infektionsketten müssen nachvollziehbar bleiben", sagt er. Wo die Neuinfektionen die kritische Marke von 50 überschreiten, sei "das Geschehen kaum mehr steuerbar" und es drohe eine exponentielle Entwicklung wie im Frühjahr. Um einen Lockdown in der Wirtschaft zu verhindern und sicherzustellen, dass Kinder auch weiterhin in Schulen und Kitas gehen können, werde man also "das Regelwerk vertiefen", sagt Söder mit Blick auf die Kabinettssitzung, bei der auch der Vizepräsident des Robert Koch-Instituts zu Gast sein wird. "Wo Vernunft und Einsicht sich schwertun, brauchen wir entsprechende Regeln, und die werden wir jetzt auch dann auf den Weg bringen."

Die Entscheidung, auf welchen öffentlichen Plätzen künftig eine Maskenpflicht gilt, soll bei den Kommunen bleiben, in denen die 50er-Marke überschritten ist. Neben München betraf dies am Montag lediglich die Stadt Würzburg (61,78), wo bereits seit einigen Tagen strengere Regeln gelten, etwa ein Alkoholverbot an bestimmten Plätzen. Eine weitere Verschärfung der Regeln war dort am Montag nicht geplant. Die Landkreise Garmisch-Partenkirchen und Kulmbach lagen derweil wieder unter dem kritischen Wert.

Ob es feste Uhrzeiten geben wird, an denen ein Alkoholverbot auf öffentlichen Plätzen greifen würde, werde man "noch beraten", sagt Söder. In den Abendstunden werde das Verbot aber "auf jeden Fall" gelten. Zudem müsse man "generell darüber reden, wie man mit den Sperrzeiten umgeht". Einen Automatismus, dass mit Erreichen der 50er-Marke ein Alkoholverbot oder eine Maskenpflicht auf öffentlichen Plätzen greift, wird es dennoch nicht geben. Sofern regionale Ausbrüche klar auf einen Personenkreis eingrenzbar sind, können die Kommunen weiterhin von schärferen Maßnahmen für alle absehen.

Als Beispiel nennt Söder die Konservenfabrik im niederbayerischen Mamming, wo im August zahlreiche Mitarbeiter positiv auf das Coronavirus getestet worden waren - die Infektionen außerhalb der Fabrik aber niedrig blieben. Auch Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) sagt am Montag auf Nachfrage: "Ich will keinen Automatismus von positiv Getesteten und Maßnahmen, die dann zu ergreifen sind. Es muss jeweils geprüft werden, was Sinn macht."

Auch Christkindlmärkte sollen nur bei niedrigen Infektionszahlen stattfinden

Ob die Christkindlmärkte stattfinden dürfen, will Söder nun ebenfalls an das Infektionsgeschehen in den jeweiligen Kommunen koppeln. "Wenn die Inzidenzen über 50 sind, wird es wahrscheinlich auch keine Weihnachtsmärkte geben." Nur dort, wo diese Marke nicht überschritten ist, könnten die Märkte "mit strengen Regeln" öffnen. "Das gleiche gilt natürlich für Karneval", sagt Söder, der in bestimmten Fällen auch die Quarantäneregeln verschärfen will - etwa wenn Fußballfans zu Auswärtsspielen ins Ausland reisen.

Derweil meldet das Kultusministerium, dass sich die steigenden Corona-Fallzahlen auch an den Schulen bemerkbar machen. Mehr als 8800 Schüler und 771 Lehrer befinden sich demnach in Quarantäne, 343 Schüler und 48 Lehrer seien mit dem Virus infiziert. Das Ministerium bezieht sich dabei auf Zahlen vom Sonntagabend. Am Freitagnachmittag waren knapp 8500 Kinder und Jugendliche in Quarantäne, die Zahl der betroffenen Lehrer blieb seitdem in etwa gleich. Angesteckt hatten sich 335 Schüler sowie 49 Lehrer.

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SZ vom 22.09.2020
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