Süddeutsche Zeitung

Garmisch-Partenkirchen:Nach tödlichem Zugunglück - Bahn soll im September wieder fahren

Lesezeit: 3 min

Seit dem Unfall Anfang Juni sind im Werdenfelser Land viele Strecken gesperrt, Verantwortliche vor Ort hatten die Deutsche Bahn deshalb heftig kritisiert. Die stellt nun in Aussicht, dass bald wieder Züge verkehren - doch viele Probleme bleiben.

Von Matthias Köpf und Klaus Ott, München

Ob das frustrierte Fahrgäste und empörte Bürgermeisterinnen und Bürgermeister beruhigt? Zwei Tage vor einem Krisentreffen wegen des maroden Streckennetzes im Werdenfelser Land hat die Deutsche Bahn in Aussicht gestellt, dass auf den dort gesperrten Strecken ab Mitte September wieder Regionalzüge fahren. Auf der Hauptlinie von München über Murnau nach Garmisch-Partenkirchen und Mittenwald - der Zugverkehr endet derzeit in Murnau - soll die Bahn zum Beginn des neuen Schuljahres am 13. September wieder durchgehend funktionieren.

Aber selbst diese Botschaft ist mit einer Einschränkung versehen: Nach derzeitigem Stand könnten die Züge "größtenteils wieder stabil" über diese Hauptstrecke fahren. Was die Worte "größtenteils" und "stabil" bedeuten, erläutert das Staatsunternehmen Deutsche Bahn (DB) nicht. Bleiben noch die derzeit ebenfalls gesperrten Nebenlinien von Tutzing nach Kochel und von Murnau nach Oberammergau. Hier schreibt die DB, der gegenwärtige Ersatzverkehr mit Bussen gelte "zunächst bis Mitte September".

Was das bedeutet, ist unklar. Aus der aktuellen Mitteilung geht nicht hervor, ob die Bahn diese beiden Nebenlinien möglichst schnell wieder in Betrieb nehmen will. Oder ob die anstehende Sanierung noch länger dauert. Bei der Hauptstrecke nach Garmisch-Partenkirchen will die DB in Kürze mit der Reparatur beginnen. Das sei nach der jetzt erfolgten Freigabe der Unfallstelle durch die Behörden möglich, an der in Burgrain Anfang Juni ein Regionalzug mit Doppelstockwagen entgleist war. Fünf Fahrgäste kamen damals ums Leben, es gab auch viele Verletzte.

Schadhafte Betonschwellen könnten zu dem Unglück geführt haben. Anschließend führte die Bahn eine "bundesweite Sonderinspektion von Betonschwellen" durch, was sogenannte Langsamfahrstellen und Streckensperrungen zur Folge hatte. Solche Langsamfahrstellen, auf denen teilweise nur 20 Stundenkilometer erlaubt sind, sollen Entgleisungen verhindern. Hinzu kamen nach Angaben der DB "hitzebedingte Materialschäden an den Schienen, die ad hoc repariert werden mussten".

Schwere Vorwürfe von Lokalpolitikern

Nach heftigen Protesten von Garmisch-Partenkirchens Landrat Anton Speer und zahlreichen Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern aus dem Werdenfelser Land hat sich die DB zu einem Krisentreffen an diesem Donnerstag bereit erklärt. Bei dem Treffen "erwarten wir uns jetzt auch mal Aussagen", wie es weitergehe mit dem Werdenfels-Netz, sagt Christian Scheuerer (CSU) aus Ohlstadt bei Murnau, der Sprecher der 22 Bürgermeisterinnen und Bürgermeister im Landkreis Garmisch-Partenkirchen. Bisher erfahre man kaum etwas. Über Ersatzbusse gebe es zwar Aushänge an Bahnhöfen. "Aber das bringt nicht wirklich was."

Die Aushänge seien schwer auffindbar, zum Teil veraltet, nicht zutreffend und nicht verlässlich, schimpft Scheuerer. So müsse man in Murnau regelrecht suchen nach Informationen, wie man nach Oberammergau komme. Dass Urlaubsgäste und andere nicht mit der Bahn fahren könnten, sei ein "Riesenproblem". Bei ihm und anderen Ortsoberhäuptern meldeten sich schon Eltern mit der Überlegung, ihre Kinder zum kommenden Schuljahr statt nach Garmisch-Partenkirchen in besser erreichbare Schulen an anderen Orten zu schicken. Überhaupt habe bei den Ersatzbussen "selten was pünktlich funktioniert", klagt Scheuerer.

Der Vorstandschef der Deutschen Bahn, Richard Lutz, hatte zwar vor zwei Wochen bei einem Krisengipfel in München zur dortigen S-Bahn nebenbei eine "Generalsanierung" im Werdenfelser Land versprochen. Die Details über Zeitraum, Umfang und Kosten blieb Lutz aber schuldig. Das Staatsunternehmen kündigte lediglich an, ein Konzept für "Erneuerungsmaßnahmen" zu erarbeiten. "Zu Details werden wir zeitnah informieren. Bis dahin bitten wir um Geduld."

100 Millionen für Instandhaltung

Florian Streibl wiederum, Landtagsabgeordneter der Freien Wähler aus Oberammergau, will von Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) mehr erfahren haben. Demnach habe Bahnchef Lutz 80 bis 100 Millionen Euro für Instandhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen im Werdenfelsnetz und bei der Oberlandbahn zugesichert. Die Oberlandbahn fährt von München über Holzkirchen nach Bayrischzell, Tegernsee und Lenggries. Auch dort gibt es Probleme.

Die Bürgermeister aus dem Werdenfelser Land hatten vor einer Woche in einem Brief an die Deutsche Bahn mächtig Dampf abgelassen. "Der bauliche und technische Zustand der Werdenfelsbahn - eine Katastrophe!" Der Ersatzverkehr: "Chaotisch und aufgrund vieler unnützer Leerfahrten vieler Taxis und Busse ein ökologischer Wahnsinn!" Und Informationen seien "so gut wie nicht vorhanden". Die Bahn solle "umgehend" alles tun, damit die Züge bald wieder fahren könnten. Insbesondere mit Blick auf das neue Schuljahr, das Mitte September beginne.

Norbert Moy vom Fahrgastverband Pro Bahn beklagt eine "gewaltige Schieflage bei den Investitionen zwischen Schiene und Straße". Das geht auch in Richtung CSU, die in den vergangenen zehn Jahren nacheinander die Bundesverkehrsminister stellte. Moy hat vor einem Monat in einem Brief an den aktuellen Bundesverkehrsminister Volker Wissing von der FDP einen staatlichen Hilfsfonds für das Werdenfelsnetz gefordert. Das Geld dafür sei da, es müssten nur alle Ausbaumaßnahmen der Bundesstraße 2 sofort gestoppt werden.

Kürzlich gab es sogar eine Demonstration für eine bessere Bahn; mit 200 Leuten in Weilheim. Pro-Bahn-Aktivist Moy forderte dort 170 Millionen Euro allein für das Werdenfelsnetz. Die Bahn solle nicht nur saniert, sondern auch modernisiert werden. Die Bahn ihrerseits hat jetzt "zusätzlich zu den notwendigen Reparaturarbeiten ein umfangreiches Investitionsprogramm" angekündigt. Dieses werde kurzfristig vorgestellt.

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