Süddeutsche Zeitung

Agrarpolitik:Die Folgen der Tatenlosigkeit

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Die Politik überbietet sich mit Solidaritätsadressen an die Bauern. Besser wäre es gewesen, wenn sich alle schon vor Jahren um die hohen Nitratbelastungen gekümmert hätten.

Kommentar von Sebastian Beck

Deggendorf, Nürnberg, Memmingen - inzwischen laufen die bayerischen Bauern mit ihren Demos den Klimaaktivisten den Rang ab. Wer will, kann darin sogar ein positives Zeichen sehen. Lange Zeit führten die Bauern ein Dasein als wirtschaftliche Randgruppe, gerade mal 0,8 Prozent der Wertschöpfung entfallen noch auf die Landwirtschaft. Nun aber sind sie wieder mitten in der Gesellschaft angekommen, denn beim Arten-, Klima- und Trinkwasserschutz spielen sie eine Schlüsselrolle.

Dementsprechend überbietet sich die Politik derzeit mit Solidaritätsbekundungen. Die Staatsregierung hat wegen des Volksbegehrens zum Artenschutz ein erkennbar schlechtes Gewissen. Schon alleine deshalb stellt sich Bayerns CSU-Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber gegen die Düngeverordnung. Die kann man zwar im Detail kritisieren, doch die Faktenlage ist eindeutig: Zwei Drittel der Nitratbelastung von Luft, Boden und Gewässern gehen auf das Konto der Landwirtschaft.

Das gilt auch für den Artenschwund: Dafür ist ebenfalls in erster Linie die Landwirtschaft verantwortlich. Wissenschaftlich ist das längst belegt, dennoch weigern sich Bauernverband und Aktivisten von "Land schafft Verbindung", die Zusammenhänge anzuerkennen. Sie möchten einfach weitermachen wie bisher. Unterstützt werden sie dabei von Teilen der CSU und den Freien Wählern, die lieber Messstellen versetzen wollen statt für sauberes Wasser zu sorgen.

Der Unmut ist die Folge jahrelanger politischer Tatenlosigkeit, auch in Bayern. Dass die Maßnahmen zum Schutz des Grundwassers aus Sicht der EU nicht ausreichen würden, war absehbar. Jetzt wird der Kurswechsel einmal mehr von oben verordnet - das kommt nach dem Volksbegehren zum Artenschutz schlecht an.

Viele Bauern beschleicht das Gefühl, dass über sie verfügt wird. Doch neben den Protestierern, die jede Veränderung ablehnen, gibt es auch jene, die wissen, dass sie Verantwortung für die Umwelt tragen, egal, ob sie konventionell oder biologisch wirtschaften. Auf sie ist die Politik angewiesen, wenn es um die Reformen geht.

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Quelle:
SZ vom 22.01.2020
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