Süddeutsche Zeitung

Renault Twingo und Smart Forfour:Ottomotoren, dreckiger als Diesel

Lesezeit: 2 Min.

Von Joachim Becker

Kleine Stadtflitzer sind umweltfreundlich, so die gängige Meinung. Der aktuelle Ecotest des ADAC widerlegt dieses Vorurteil: Bei einer Stichprobenuntersuchung von 15 Benzinern ohne Direkteinspritzung zeigten Renault Twingo und der fast baugleiche Smart Forfour stark erhöhte Partikelemissionen.

Auffällig wurden die beiden Miniautos bei einer Geschwindigkeit von 130 km/h. Vor allem der Renault Twingo SCe 70 Expression bläst alle umweltfreundlichen Vorsätze in den Wind, sobald er zehn Kilometer schneller als im gesetzlichen NEFZ-Zyklus gefahren wird. Mit einer Partikelmasse von 93 Milligramm pro Kilometer im ADAC-Autobahntest lag sein Abgaswert 19-fach über dem Durchschnitt der Vergleichsfahrzeuge (5 mg/km). Der angeblich moderne, 52 kW (71 PS) starke Saugmotor, der nach Euro 6 zugelassen ist, fällt im Praxistest unter die Euro-2-Abgaswerte für Dieselmotoren zurück - also auf ein Niveau vor dem Jahr 1996.

Dunkle Abgasschwaden aus dem Auspuff

Lange galten die krebserregenden Rußpartikel vor allem als Problem der Selbstzünder. Dunkle Abgasschwaden aus dem Auspuff zeigen, dass die Verbrennung unvollständig (und ungefiltert) abläuft. Schwarzrauch entsteht meist beim Beschleunigen, wenn der Kraftstoffüberschuss nicht gleichmäßig im Zylinder verteilt wird. Relativ große Kraftstofftröpfchen lassen einen Rest von unverbranntem Kohlenstoff zurück, der aus dem Auspuff qualmt. Seit Einführung des Dieselpartikelfilters laufen die meisten Selbstzünder im Alltag relativ sauber. Negativ fallen moderne Benziner auf, die über kein Rußsieb verfügen.

Haben die Benziner jetzt den schwarzen Peter? Fakt ist, dass sie mit ihrem Ruß-Husten im bisherigen Normzyklus nicht auffallen. Ab 2017 soll der NEFZ sukzessive durch den neuen WLTC (Worldwide harmonized Light vehicles Test Cycle) ersetzt werden. Allerdings werden die neuen, deutlich verschärften Prüfungsbedingungen zunächst nur zur Ermittlung der CO₂-Werte herangezogen. Die dreckigen Benziner genießen also noch eine längere Schonfrist.

Partikelfilter für Benzinmotoren

Abhilfe würde ein einfacher Partikelfilter schaffen, der heute als Standardprodukt weniger als 100 Euro kostet. Doch nur ganz vereinzelt werden die Rußsiebe bei Ottomotoren eingesetzt. Lediglich der Mercedes S 500 mit Achtzylinder-Benziner verfügt hierzulande serienmäßig über ein solches System, das die Abgase auch bei Autobahntempo zuverlässig entstaubt.

Beim Smart Forfour 1.0 verzichteten die Daimler-Entwickler aus Kosten- und Platzgründen auf dieses Anti-Raucherpaket. Stattdessen versuchten sie, die Abgasproblematik mit einem zusätzlichen Kühlluftschlitz hinten links am Fahrzeugheck zu entschärfen. Außerdem trägt eine eigene Applikation des Motorsteuergeräts dazu bei, dass der Smart mit einer Partikelmasse von 37 mg/km im ADAC-Ecotest "nur" siebenfach über dem Durchschnitt liegt. Aufgrund ihrer hohen Partikelemissionen erhalten Twingo und Forfour nur drei von fünf Sternen im ADAC-Ecotest. Der Autoclub prüft derzeit, ob er die Partikelmessung generell in den Ecotest aufnimmt, um weitere Ausreißer aufzuspüren.

Unkonventionelles Antriebskonzept, das Nachteile hat

Das schlechte Abschneiden der beiden Kleinstwagen deutet auf grundsätzliche Probleme des Heckmotor-Konzepts hin. Anders als bei fast allen Wettbewerbern liegt sein Antrieb unter dem Kofferraumboden. Um Platz zu sparen, baut der gemeinsam genutzte Renault-Dreizylinder mit einem Liter Hubraum besonders niedrig.

Die unkonventionelle Unterbringung hat Vorteile wie einen kleineren Wendekreis und mehr Platz im Innenraum als vergleichbare Wettbewerber. Bezahlt werden solche Vorzüge durch konstruktive Nachteile wie eine höhere Schwerpunktlage weit hinten im Fahrzeug. Dadurch läuft der Stadtflitzer bei Autobahntempo unruhig und wird extrem anfällig für Seitenwind. Zudem kämpfen Twingo und Smart als moderne Heckschleudern wie der selige VW Käfer mit thermischen Problemen.

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