Süddeutsche Zeitung

Psychologie:Die Empfindsamkeit der Maschinen

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Schon junge Kinder trauen Robotern und anderen technischen Hilfsmittel erstaunlich viel Geist und Gefühl zu. Forscher sind dem Phänomen nun auf den Grund gegangen.

Von Werner Bartens, München

Wer weiß schon, was eine Maschine wirklich empfindet? Sie muss doch Gefühle haben, schließlich wird der Rasenmäher-Roboter von der Familie bedauert, wenn er bei Mistwetter seine Runden drehen muss. Verklemmt er sich unter einem Ast, muss er "gerettet" werden. Der Saugroboter wird zum Spielkamerad für die Kinder, wenn sie sich ihm in den Weg stellen, dann aber großzügig "Jetzt kannst du durch" rufen. Vermenschlicht werden die heimischen Helferlein von Anfang an, indem die Roboter - wenig originell - auf Namen wie "Robby" getauft werden oder über den Rasenmäher-Roboter - schon etwas subtiler - nur als "Rasmus" gesprochen wird.

Der Wunsch des Menschen, mit der Technik auf Du und Du zu stehen, ist kein neues Phänomen. Auto- wie Motorradliebhaber streicheln zärtlich über Kühlerhaube oder Tank, wenn sie ihr Gefährt zuverlässig in den Urlaub bringt. Fernseher bekamen vor der Ära der Flachbildschirme einen Klaps auf den Deckel, falls das Bild ausfiel. Und IT-Servicekräfte reden bis heute mit Computern, als ob sie störrische Liebhaber vor sich hätten: "Man muss ihm Zeit lassen" oder "Er braucht halt etwas Zuneigung" heißt es gerne, wenn auch der zwölfte Neustart nicht gelingt. Was weiß man schon von der Zärtlichkeit der Maschinen?

Mit zunehmenden Alter nehmen Kinder weniger Rücksicht

Lehrjahre des Gefühls zeigen sich eben auch im Umgang mit Technik. Und je avancierter die Geräte werden, desto vertrauter wirken sie. Das zeigt sich schon in jungen Jahren, wie Psychologen der Duke University gerade im Fachblatt Developmental Psychology beschrieben haben. Die Forscher untersuchten, wie Kinder im Alter zwischen vier und elf Jahren auf virtuelle Sprachassistenten wie Alexa im Vergleich zu Saugrobotern reagierten.

Zwar hielten die Kinder Sprachassistenten für intelligenter als automatische Bodenreiniger. Doch trotz dieser Unterschiede war die Mehrzahl der Probanden überzeugt davon, dass beide Geräte nicht angeschrien oder geschlagen werden sollten. Der Sprachassistentin trauten die Kinder anders als dem Saugroboter gar emotionale Fähigkeiten zu, etwa dass sie wütend werden könnte, wenn man gemein zu ihr wäre. "Junge Kinder denken, dass Alexa über Gefühle und Verstand verfügt, auch wenn sie keinen Körper hat", sagt Teresa Flanagan, die Hauptautorin der Studie. "Das denken sie nicht bei jeder Technologie, sondern es muss mit der Fähigkeit zu tun haben, verbal zu kommunizieren."

Mit zunehmendem Alter ließ allerdings die Rücksichtnahme der Kinder nach. Sie fanden es dann zwar immer noch nicht toll, Geräte zu attackieren, aber zur Not könne man seinen Ärger schon an der Technik auslassen. Woher sich verbliebene Bedenken speisten, blieb ungewiss. Ein Zehnjähriger in der Studie sorgte sich, "dass die Mikrofone kaputtgehen, wenn man zu laut schreit", ein anderer befürchtete, "dass sich der Roboter traurig fühlen" würde. Diese Sensibilität scheint bei vielen Erwachsenen verloren gegangen zu sein - zumindest bei jenen, die ihr Fahrrad treten, wenn es einen Platten hat, oder die auf die Tastatur einprügeln, sobald der Computer hängt. Dabei könnten sie Vorbild sein. Warum sich nicht bedanken, wenn Alexa, Siri oder Chat-GPT einen bedauernswerten Menschen "retten", der sich in den Ästen seiner Ahnungslosigkeit verklemmt hat?

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