Süddeutsche Zeitung

Hurrikan:Warum "Irma" so gefährlich ist

Lesezeit: 3 min

Von Jonathan Ponstingl

Irma ist einer der stärksten Stürme, die jemals über dem Atlantik gemessen wurden. Als er in der Nacht zum Mittwoch auf Barbuda traf, lagen die Windgeschwindigkeiten bei 295 Stundenkilometern, in Böen erreichte er Spitzengeschwindigkeiten von mehr als 300 Stundenkilometern. Damit ist er deutlich stärker als "Harvey", der bereits zum Tropensturm herabgestuft worden war, bevor er Ende August die US-Bundesstaaten Texas und Louisiana unter Wasser setzte.

Andreas Friedrich vom Deutschen Wetterdienst sagt, Irma bringe drei Hauptprobleme mit sich: Wind, Sturmfluten und große Regenmengen. "Vereinzelt werden bis zu 500 Liter Niederschlag pro Quadratmeter erwartet. Das ist in etwa so viel wie in Berlin im Jahresmittel fällt." Auch die Topographie könnte zum Problem werden. In bergigen Gebieten kann es durch die großen Niederschlagsmengen zu Erdrutschen und Sturzfluten kommen. In der Nacht auf Donnerstag fegte Irma über die Nordküste von Puerto Rico hinweg, das nach bisherigen Berichten vergleichsweise glimpflich davon kam.

Armen Inselstaaten droht eine humanitäre Katastrophe

Irma hat enormes Schadenspotenzial. Ein Hurrikan der höchsten Stufe fünf kann Bäume entwurzeln und Dächer abdecken. Selbst stabile Häuser aus Beton sind bedroht. Die hohen Windgeschwindigkeiten werden damit insbesondere für arme Staaten in der Karibik zum Problem. In Haiti etwa ist die Bauweise kaum vergleichbar mit der in Europa oder den USA. Die haitianische Bausubstanz gilt als marode und nicht geeignet, solch hohen Windgeschwindigkeiten zu trotzen.

Fegt Irma mit Böen von 300 Stundenkilometern auch über Haiti hinweg, könnte eine humanitäre Katastrophe die Folge sein. Man denke nur an das Erdbeben 2010 oder den Hurrikan Matthew im vergangenen Jahr, infolge derer viele Menschen ihr Zuhause verloren. Auch deshalb bezeichnen Behörden Irma bereits jetzt als katastrophal. In den kommenden vier Tagen wird sich der Hurrikan laut Experten des National Hurricane Center (NHC) kaum abschwächen. Nachdem er am heutigen Donnerstag die Nordküsten der Dominikanischen Republik und Haitis streifen soll, wird er am Freitag auf Kuba erwartet.

Am Samstag wird Irma wahrscheinlich von seiner westwärts gerichteten Bahn abweichen, nach Norden umschwenken und den US-Bundesstaat Florida erreichen. Wohin er sich danach wendet, ist schwer vorherzusagen. Durch den Schwenk in nördlicher Richtung sinkt allerdings die Wahrscheinlichkeit, dass er das von Harvey schwer geschädigte Houston heimsuchen wird.

Die atmosphärischen Bedingungen sind günstig - Hurrikan "Jose" kommt am Wochenende

Die nordöstlichen Karibikstaaten wurden von Irma in den vergangenen 24 Stunden hart getroffen. 95 Prozent der Häuser auf Barbuda sind unbewohnbar. Zeit zum Durchatmen bleibt nur wenig, über dem Atlantik braut sich Jose zusammen. Nach derzeitigen Vorhersagen sollen es am Wochenende erneut die bereits schwer betroffenen Karibikinseln sein, über die der Hurrikan zieht, bevor er nach Norden abbiegt und sich abschwächt. Der Tropensturm Katia vor der mexikanischen Küste wurde vom NHC am gestrigen Mittwoch zu einem Hurrikan hochgestuft. Am Freitagabend Ortszeit soll er im Bundesstaat Veracruz auf Land treffen.

Dass derzeit in der Region ein Hurrikan auf den nächsten folgt, liegt an den Bedingungen im Atlantik und im Golf von Mexiko. Ein Hurrikan benötigt eine Temperatur der Wasseroberfläche von mindestens 26,5 Grad Celsius. In den Sommermonaten herrschen in beiden Gewässern regelmäßig solche Bedingungen. Das Wasser verdunstet, warme Feuchtigkeit und Luft steigen nach oben. Über dem Meer bildet sich ein Sog. Direkt oberhalb des Wassers entsteht dadurch ein Unterdruck, der ausgeglichen werden muss. Deshalb strömen Luftmassen herbei, die wir als Winde wahrnehmen. Verdunstet durch hohe Temperaturen besonders viel Wasser, sind dieser Sog und auch die Winde entsprechend stärker. Es entstehen Hurrikane. Die verdunsteten Wassermassen bilden in mehreren Kilometern Höhe die Wolkenberge, die auf Satellitenbilder gut zu erkennen sind.

Infolge der Ostwinde in der oberen Atmosphäre treiben die Tiefdruckgebiete in Richtung Karibik und Golf von Mexiko. Unterwegs verdunstet immer mehr Wasser und liefert den Tiefdruckgebieten so mehr Energie. Sie können zu Tropenstürmen und weiter zu Hurrikanen anschwellen, die dann in der Karibik oder den USA auf Festland treffen. Auch im Golf von Mexiko selbst können Hurrikane entstehen, wie das Beispiel Katia vor Mexiko zeigt.

Mit Material von dpa.

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