Süddeutsche Zeitung

Ökostrom:Kanzler Scholz fordert vier bis fünf neue Windräder pro Tag

Lesezeit: 2 min

Um die Ökostrom-Ziele zu erreichen, müssen täglich dreimal so viele Anlagen gebaut werden wie bisher. Das ist möglich, sagen Experten - aber leicht wird es nicht.

Von Michael Bauchmüller

Der Kanzler will nicht nur große Räder drehen, er will auch große Räder sehen: "Generalstabsmäßig" werde die Bundesregierung nun den Ausbau der Windkraft angehen, sagt Olaf Scholz. "Gerade erstellen wir einen Fahrplan, was bis wann gebaut sein muss, damit wir unsere Ziele bis 2030 erreichen", hat er der Bild am Sonntag erläutert. Jeden Monat werde man mit den Ländern über die Fortschritte beraten. "Was nicht pünktlich geschafft wird, muss bis 2030 aufgeholt werden", fordert der Kanzler. Allein an Land müssten dafür vier bis fünf Windräder errichtet werden - täglich.

Jeden Tag vier bis fünf Windräder? "Unmöglich ist das nicht", sagt Jürgen Quentin, der für die Fachagentur Windenergie an Land die Zubaustatistiken führt. "Seit dem Jahr 2000 haben wir in sieben Jahren solche Werte erreicht", sagt er. "Aber es braucht eben den Willen dazu, und das auf allen Ebenen." Im bisherigen Spitzenjahr, 2017, wurden sogar etwas mehr als fünf Windräder täglich aufgestellt, nämlich insgesamt 1858. Zwei Jahre später sackte dieser Wert auf 283 neue Anlagen ab, nicht einmal 0,8 täglich. Seither erholt sich der Zubau jedes Jahr ein bisschen, aber von des Kanzlers Ziel sind die Zahlen noch immer weit entfernt: Im vergangenen Jahr lag der Tagesschnitt nach Zahlen der Fachagentur bei 1,5. Er müsste sich also verdreifachen.

Immerhin haben sich die Bedingungen nun gebessert. Seit Januar ist eine Neufassung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes in Kraft, kurz EEG. Sie setzt nicht nur das Ziel, den Anteil des Ökostroms bis 2030 von derzeit rund 48 auf 80 Prozent anzuheben. Der Bau neuer Anlagen liegt nun auch offiziell im "überragenden öffentlichen Interesse". Das soll die Genehmigungsverfahren beschleunigen. In die gleiche Richtung zielt eine "Notfallverordnung" der EU: In den nächsten anderthalb Jahren soll sie die Planung neuer Anlagen stark vereinfachen, ebenso den Ausgleich für Eingriffe in Natur und Umwelt. Und schließlich hat die Bundesnetzagentur noch im Dezember die Höchstwerte angehoben, die für den Strom aus neuen Windparks gezahlt werden können. Bei den Ausschreibungen, über die Investoren um eine staatlich garantierte Mindestvergütung buhlen können, dürfen nun bis zu 7,35 Cent je Kilowattstunde verlangt werden. Das sind 25 Prozent mehr als im vorigen Jahr - als Ausgleich für steigende Kosten auch beim Bau neuer Windparks.

Ob das alles reichen wird, die Ziele des Kanzlers zu erreichen, wird sich aber erst weisen müssen. Just am Montag haben der Stromverband BDEW und die Beratungsfirma Ernst & Young den neuen "Fortschrittsmonitor" zur Energiewende vorgelegt, er zeichnet ein nur verhalten optimistisches Bild. So seien bis 2030 knapp 500 Milliarden Euro nötig, um die Energiewende voranzutreiben, vom Ökostrom über den Netzausbau bis hin zu klimaneutralen Gasen, die Wärmewende und die Elektromobilität. Geflossen seien aber 2021 nur 8,6 Milliarden Euro - ein gutes Viertel dessen, was jährlich nötig wäre.

Erst 2032 müssen die Länder zwei Prozent ihrer Flächen für Windkraft ausweisen

"Der Ausbau der erneuerbaren Energien schreitet zu langsam voran", mahnt der Fortschrittsmonitor. Zwar habe die Bundesregierung "einige richtige Hebel betätigt", etwa mit der Einführung eines Flächenziels von zwei Prozent, die von den Ländern für Windkraft zur Verfügung gestellt werden müssen. Doch die neue Zielmarke gelte erst 2032. "Hier wird es Nachbesserungen geben müssen", heißt es in dem Bericht.

Immerhin, Fortschritte gibt es. Am Montag präsentierte Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer (Grüne), wie sich schon bis 2026 etwa 2,2 Prozent der Landesfläche für Windräder reservieren lassen - runtergebrochen auf Landkreise. Außerdem sollen sich Bürger und Kommunen leichter an Windparks beteiligen können. Allerdings liegen in Niedersachsen längst nicht die größten Baustellen des Kanzlers - fast 100 Windräder gingen hier nach Zahlen der Fachagentur 2022 in Betrieb. In den Südländern Bayern und Baden-Württemberg dagegen waren es nur 23.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5746080
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.