Süddeutsche Zeitung

Inflation:Schlechte Nachrichten für Joe Biden

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Von wegen Wende: Die US-Inflationsrate steigt auf 8,6 Prozent. Für den Präsidenten wird die Zeit immer knapper, vor der Kongresswahl im November Erfolge im Kampf gegen die Teuerung zu vermelden.

Von Claus Hulverscheidt, Berlin

Der von US-Präsident Joe Biden erhoffte nachhaltige Rückgang der Inflationsrate kommt einfach nicht in Gang. Im Gegenteil: Wie das Amt für Arbeitsstatistiken am Freitag in Washington mitteilte, legten die Verbraucherpreise im Mai im Vergleich zum Vorjahresmonat um 8,6 Prozent zu. Das war der stärkste Anstieg seit Dezember 1981 und ein Rückschlag für Biden. Er hatte noch im April darauf gesetzt, dass die Wende da ist, nachdem die Rate erstmals seit acht Monaten wieder leicht auf 8,3 Prozent gesunken war.

Teurer wurden im Mai vor allem Benzin, Lebensmittel, Flugtickets sowie Neu- und Gebrauchtwagen. Auch die Wohnkosten stiegen einmal mehr an. Welche Breite das Problem mittlerweile hat, zeigt sich, wenn man die stark schwankenden Preise für Energie und Lebensmittel aus dem Index herausrechnet: Selbst dann ergibt sich noch ein Plus von sechs Prozent - drei Mal mehr als die Fed offiziell anpeilt. Entsprechend nervös reagierten die US-Aktienmärkte auf die Meldung: Der S&P-500- Index etwa büßte zunächst 1,6 Prozent ein.

Biden steht unter massivem politischen Druck, weil kein Thema die Bürgerinnen und Bürger so sehr umtreibt wie die Teuerung. Den Demokraten droht deshalb bei den Zwischenwahlen zum Kongress im November eine Schlappe, die sie ihre knappen Mehrheiten in Senat und Repräsentantenhaus kosten könnte. Der Präsident wäre dann in der zweiten Hälfte seiner Amtszeit politisch gelähmt. Allerdings trägt er auch selbst erheblich bei zu dem Problem: Weil seine Regierung zahlreiche Wahlversprechen nicht eingelöst hat und sich die US-Armee unter teils chaotischen Umständen aus Afghanistan zurückzog, ist er so unbeliebt wie kaum einer seiner Vorgänger seit Ende des Zweiten Weltkriegs.

Die Fed steht vor einer schwierigen Aufgabe

Bidens Hoffnungen ruhen nun auf der Fed. Sie wird am kommenden Mittwoch aller Voraussicht nach erneut ihren wichtigsten Leitzins, die sogenannte Tagesgeldzielspanne, anheben, um die gesamtwirtschaftliche Nachfrage und damit auch die Preisentwicklung zu dämpfen. Erwartet wird eine Zinserhöhung um einen halben Prozentpunkt, der Korridor, der vor wenigen Wochen noch bei nahe null rangierte, läge dann bei eins bis 1,5 Prozent.

Allerdings steht auch die Fed vor einer schwierigen Aufgabe, weil sie die von Lieferengpässen und Ukraine-Krieg befeuerte Inflation bremsen will, ohne die Wirtschaft abzuwürgen. Dass das gelingt, ist noch keineswegs sicher. Immerhin: Zuletzt gab es einige ermutigende Signale. So stieg die Zahl der Beschäftigten in den USA im Mai "nur" noch um 390 000, das war der niedrigste Zuwachs seit einem Jahr. Zugleich ging die Zahl der offenen Stellen von 11,9 auf 11,4 Millionen zurück. Experten werteten dies als erstes Indiz, dass der lohn- und preistreibende "ultra-heiße US-Arbeitsmarkt" sich langsam ein wenig abkühlt.

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