Süddeutsche Zeitung

Treffen: Sarkozy und Merkel:Plötzlich harmonisch

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Nicolas Sarkozy und Angela Merkel sind sich einig: Es soll eine gemeinsame Wirtschaftsregierung geben, die aus den Regierungschefs aller 27 EU-Staaten besteht. Zudem wollen sich beide für eine Finanzmarkttransaktionssteuer stark machen.

C. Hulverscheidt und N. Fried

Es war, als wollte der Zufall einen Beweis liefern, wie schwierig es derzeit um die Verständigung zwischen Deutschland und Frankreich steht. Mitten in der Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy fiel am Montagabend im Kanzleramt die Übersetzung aus. Erst machte der Präsident ein paar hilflose Handbewegungen, dann konstatierte auch die Kanzlerin das Problem. Am Ende verließen die Übersetzer ihre Kabinen, stellten sich neben die Politiker und flüsterten Sarkozy und Merkel die Botschaften ins Ohr.

Irgendeine Lösung gibt es eben immer. Und das galt an diesem Abend auch für die politischen Streitfragen, die sich in den vergangenen Wochen so aufgehäuft hatten, dass schon von einem tiefen Zerwürfnis zwischen Merkel und Sarkozy die Rede war.

Der Tropfen, der das Fass zuletzt zum Überlaufen gebracht hatte, war die Absage des Treffens vor einer Woche. Eigentlich war die Verschiebung des Termins damals beiden Seiten recht gewesen. Merkel, weil sie innenpolitisch mit der Erklärung des schwarz-gelben Sparpakets sowohl vor der Presse, als auch in der Unions-Fraktion voll ausgelastet war. Sarkozy, weil er fürchten musste, am Tag, da in Deutschland ein großes Sparpaket verabschiedet wurde, von den mitreisenden französischen Journalisten auf ein entsprechendes eigenes Programm angesprochen zu werden.

Es soll eine europäische Wirtschaftsregierung geben

Zudem hatten sich beide Seiten in der Diskussion um eine europäische Wirtschaftsregierung noch nicht so weit angenähert, dass man am vergangenen Montag schon eine Einigung hätte erwarten können.

Einen Montag später sieht die Sache plötzlich anders aus. Angela Merkel verkündet, man habe sich verständigt: Es wird eine europäische Wirtschaftsregierung geben, bestehend aus den Staats- und Regierungschefs aller 27 EU-Staaten. Im Bedarfsfalle könne sich außerdem jederzeit die Gruppe der 16 Staaten treffen, die den Euro als gemeinsame Währung haben.

Es ist ein Kompromiss, der so simpel ist, dass man kaum glauben kann, wie lange es dauerte, bis er gefunden war. Sarkozy hatte stets auf eine Wirtschaftsregierung im Rahmen der Euro-Gruppe gedrängt, was Merkel stets abgelehnt hatte, weil es keine Zwei-Klassen-Gesellschaft in der EU geben sollte. Nun zeigt sich Merkel gönnerhaft: Frankreich habe den Begriff der Wirtschaftsregierung eingeführt, sagt die Kanzlerin, "und ich habe ihn gerne übernommen". Die "große Arbeit" werde nun in der Gruppe der 27 Staaten gemacht, wann immer nötig könne sich die kleine Gruppe treffen. Damit gehen "ein Signal an Europa, dass wir nicht spalten wollen", so die Kanzlerin. Auch der Präsident zeigt sich zufrieden.

Deutschland und Frankreich wollen außerdem bei den gemeinsamen Konsequenzen aus der Finanzkrise zusammenarbeiten. Merkel und Sarkozy kündigten einen gemeinsamen Brief an den kanadischen G8-Vorsitz an, in dem sie weitere Schritte bei der Regulierung der Finanzmärkte fordern wollen. Man sei "nicht zufrieden" mit dem, was bisher beschlossen worden sei, so Merkel.

Kanzlerin und Präsident fordern eine Bankenabgabe, mit der künftigen Krisen vorgebeugt werden soll und die in Deutschland zumindest im Kabinett schon beschlossen wurde. Zusätzlich wollen Merkel und Sarkozy eine Finanzmarkttransaktionssteuer fordern, wobei man staunt, wie flüssig Merkel dieses Ansinnen mittlerweile über dir Lippen geht, wo sie noch vor wenigen Wochen immer darauf beharrt hatte, eine solche Steuer sei international ohnehin nicht durchsetzbar.

Auch bei der Neuausrichtung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes zum Schutze des Euro wollen Paris und Berlin kooperieren. Bemerkenswert vor allem, dass Merkel und Sarkozy mittlerweile beide dafür plädieren, "notorischen Sündern", wie Merkel es formuliert, die Stimmrechte in der Euro-Gruppe zu entziehen. Diesen Vorschlag hatte Merkel vor einiger Zeit ventiliert, war aber nicht auf große Gegenliebe gestoßen.

An diesem Abend freilich ist wieder große Harmonie. Die Kritik, die Sarkozy am Sparpaket der Deutschen geübt haben soll, findet keine weitere Erwähnung. Und Bedenken, er spare im Vergleich zu den Deutschen zu wenig, versucht Sarkozy zu zerstreuen, indem er eine ganze Liste eigener Maßnahmen referiert. Im übrigen fühle er sich von Merkel nicht terrorisiert, sagt Sarkozy. Der Präsident fasst das Verhältnis zu Merkel so zusammen: Beide hätten ihre Positionen, beide debattierten gerne. "Madame Merkel lässt sich gerne überzeugen", so der Präsident. "Und ich auch."

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Quelle:
SZ vom 15.06.2010
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