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Steuerzahlergedenktag:Deutsche zahlen so viele Steuern und Abgaben wie nie

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Von Jakob Schulz, Berlin

Viele Menschen beschäftigen sich exakt zwei Mal jährlich mit dem Thema Steuern. Zum einen, wenn sie sich durch Haufen aus Belegen wühlen, um ihre Steuererklärung zu machen. Zum anderen, wenn das Finanzamt eine wohltuende Steuererstattung mitteilt. Oder - Himmel, hilf! - eben auch nicht.

Geht es nach dem Bund der Steuerzahler (BdSt), sollten die Deutschen auch an diesem Mittwoch an Steuern denken. Einmal im Jahr ruft der Lobbyverein den Steuerzahlergedenktag aus. 2017 ist das der 19. Juli. Dieser Tag soll verdeutlichen, ab wann Bürger und Betriebe für die eigene Tasche arbeiten. Einkommen, das seit Jahresbeginn erwirtschaftet wurde, ist dem BdSt zufolge rechnerisch für Steuern und Abgaben draufgegangen. 54,6 Prozent betrage diese Volkswirtschaftliche Einkommensbelastungsquote 2017 voraussichtlich, so viel wie nie zuvor.

Wie kommt diese Zahl zustande? Der Verein setzt das gesamte Aufkommen aus Steuern und Beiträgen ins Verhältnis zum sogenannten Volkseinkommen. Eingerechnet werden auch der Rundfunkbeitrag oder die EEG-Umlage (Erneuerbare Energien), die der BdSt als "Quasi-Steuern" bezeichnet. Grundaussage und Berechnung werden allerdings immer wieder kritisiert. So sei die Steuerbelastung für den einzelnen Bürger zu unterschiedlich, um einen einheitlichen Gedenktag zu rechtfertigen. Außerdem erhielten Bürger etwa für ihre Zahlungen in die Sozialkassen eine Gegenleistung.

Der Bund der Steuerzahler ist keine unabhängige Kontrollinstanz, sondern ein privater Verein. Der Bund prangert regelmäßig Steuerverschwendung an. Den selbst proklamierten Steuerzahlergedenktag nimmt BdSt-Präsident Reiner Holznagel zum Anlass, vor der Bundestagswahl an die Parteien zu appellieren. So fordert er, den Soli schnell abzuschaffen und die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung zu senken. Zudem schlägt der Verein vor, den Spitzensteuersatz erst ab 80 000 Euro Jahreseinkommen greifen zu lassen und so Haushalte mit mittleren Einkommen zu entlasten.

Die Steuerpläne von CDU und CSU kritisiert Holznagel als zu schwammig. Die Union spreche von einer Entlastung über 15 Milliarden Euro, "der Steuerzahler weiß aber nicht, worauf er sich einlässt". Zuspruch bekommt dagegen die SPD, unter anderem für den Plan, den Soli schnell abzuschaffen. Die größte inhaltliche Nähe sieht er zur FDP: "Wir machen keinen Hehl daraus, dass die FDP sehr nah an uns dran ist", sagt Holznagel. Dieser Umstand wird dem BdSt oft vorgeworfen. Der Verein finanziert sich allein über Spenden und seine Mitglieder. Die bestehen der Organisation Lobbycontrol zufolge großteils aus mittelständischen Unternehmern und Freiberuflern - der klassischen FDP-Klientel.

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Quelle:
SZ vom 19.07.2017
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