Süddeutsche Zeitung

Raumfahrt:Europa fliegt mit Space-X

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Der erste Esa-Astronaut ist am Freitag erfolgreich mit der Kapsel "Crew Dragon" zur Raumstation gestartet. Im Herbst folgt ihm der Deutsche Matthias Maurer.

Von Dieter Sürig, München

Wenn der deutsche Astronaut Matthias Maurer voraussichtlich im Oktober erstmals zur Internationalen Raumstation ISS fliegt, dann wird er dort von dem Franzosen Thomas Pesquet empfangen werden - so ist es zumindest geplant. Pesquet ist am Freitag als erster Astronaut der europäischen Raumfahrtagentur Esa mit der Crew-Dragon-Kapsel von Space-X zur ISS gestartet, um dort sechs Monate zu arbeiten, in der zweiten Hälfte als Kommandant der Raumstation. Dabei will er auch die europäische Zusammenarbeit auf der ISS hervorheben. Der 43-Jährige freut sich entsprechend, seinen Nachbarn Maurer auf etwa 400 Kilometern Höhe begrüßen und dann noch ein paar Tage mit ihm arbeiten zu können. "Wir werden einige Experimente zusammen machen, ich übergebe ihm dann die Schlüssel für das europäische Columbus-Modul und werde ihm ein paar Tipps geben", sagte er am Montag.

Der kalifornische Raketenhersteller Space-X darf in dieser Woche zum zweiten Mal regulär vier Astronauten zur ISS befördern. Nach einem geglückten Testflug im Mai 2020 dockte im November Crew-1 an - die vier Astronauten sollen kommenden Mittwoch zur Erde zurückkehren. Dass nun vorübergehend gleich elf Astronauten auf der ISS wohnen, hängt auch mit dem "Commercial Crew Program" der US-Raumfahrtbehörde Nasa zusammen. Space-X und der Boeing-Konzern sind aus diesem Wettbewerb um einen privaten Zubringer zur ISS hervorgegangen. Die russische Sojus, auf die die Nasa seit dem Ende des Space Shuttle 2011 angewiesen war, hat nur Platz für drei Astronauten. Die Nasa hat rund 8,4 Milliarden Dollar in das Programm gesteckt, um wieder von Florida aus starten zu können. Ein Sitzplatz bei Space-X kostet etwa 55 Millionen Dollar.

Zum Konzept gehört, möglichst viele Komponenten wiederzuverwenden. Während die Apollo-Kapseln aus den Sechziger- und Siebzigerjahren nach einmaligem Gebrauch im Museum landeten, soll Crew-2 nun mit der generalüberholten Dragon-Kapsel des Testflugs vor einem Jahr namens Endeavour fliegen. Auch die erste Stufe der Falcon-9-Rakete, welche die Kapsel in den Orbit schießen soll, ist inklusive der neun Triebwerke bereits geflogen - beim Crew-1-Start im November. Space-X setzt bei seinen Frachtflügen seit Jahren gebrauchte Raketenstufen ein, eine ist schon neunmal geflogen. Die Wiederverwendbarkeit sei "der Schlüssel zu größerer Flugzuverlässigkeit und zur Senkung der Kosten für den Zugang zum Weltraum", freute sich Space-X-Manager Benji Reed. Ein einziges technisches Problem gab es aber noch: Bei Falcon-9-Starts war zuletzt etwas zu viel Flüssigsauerstoff getankt worden - dies sei aber im Rahmen, hieß es.

"Wir müssen noch einige neue Traditionen schaffen."

Die Astronauten haben keine Scheu, mit Gebraucht-Raumschiffen zu fliegen. "Wir haben großes Vertrauen in das Team, das uns vorbereitet hat und das an den Fahrzeugen arbeitet", sagte Flug-Kommandant Shane Kimbrough, "wir haben keine Probleme damit". Pesquet sieht darin eine weitere Chance: "Wir müssen noch einige neue Traditionen schaffen", witzelte er angesichts jahrzehntealter russischer Gepflogenheiten bei Sojus-Starts. "Da wir wiederverwendbare Booster fliegen, die vom vorigen Wiedereintritt geschwärzt sind, können wir darauf unsere Initialen schreiben."

Der Franzose aus Rouen war bereits vor vier Jahren auf der ISS, diesmal fliegt er mit den Nasa-Astronauten Megan McArthur und Kimbrough sowie Akihiko Hoshide von der japanischen Space-Agentur Jaxa. McArthur ist übrigens mit Bob Behnken verheiratet, der mit der Dragon-Kapsel bei der ersten bemannten Demomission zur ISS vor einem knappen Jahr geflogen ist. Auf dem Plan der Astronauten stehen unter anderem 232 wissenschaftliche Experimente, darunter 40 von der Esa. Pesquet will dabei auch einen neuen europäischen Roboterarm testen.

Nach Pesquet und Maurer wird in einem Jahr auch Esa-Astronautin Samantha Cristoforetti zur ISS fliegen. Damit sind erstmals drei Esa-Astronauten nacheinander auf der Raumstation. "Europa will ein verlässlicher Partner sein", sagte Pesquet - auch im Hinblick auf die künftigen Artemis-Mondmissionen der Nasa. Da die Esa gerade neue Astronauten sucht, ermutigte er dazu, sich zu bewerben. "Trauen Sie sich, dann sitzen Sie eines Tages vielleicht hier". Ob Naturwissenschaftler, Ingenieure, Mediziner oder Piloten - "es gibt viele verschiedene Wege, um Astronaut zu werden".

Der "Starliner"-Testflug startet frühestens im Spätsommer

Der nächste Testflug der Boeing-Astronautenkapsel Starliner verzögert sich derweil immer weiter. Ein erster Flug der leeren Kapsel war im Dezember 2019 gescheitert: Wegen Zündungsproblemen konnte das Raumschiff nach dem Start nicht in Richtung ISS geschossen werden. Nach weiteren Tests hat Boeing gerade gemeldet, startbereit zu sein, doch nun sind die beiden für Starliner geeigneten Andockstationen der ISS mittelfristig mit Space-X-Fracht- und Crew-Raumschiffen belegt. Boeing zufolge könnte es nun August/September werden. Astronauten wird Boeing dann wohl erst 2022 befördern können.

Bei Space-X steht dagegen in diesem Jahr nicht nur der Crew-3-Start mit Matthias Maurer im Flugplan, sondern auch eine rein private Mission des US-Milliardärs Jared Isaacman. Dieser will mit drei Begleitern, die kostenlos mitfliegen dürfen, drei Tage lang die Erde umrunden - ohne Aufenthalt auf der ISS. In diesem Zusammenhang will er für eine Spendenaktion zugunsten eines Kinderkrankenhauses in Memphis, Tennessee werben.

Der Start der Crew-2, die im Übrigen bereits ihre Covid-Impfungen bekommen hat, war wegen ungünstigen Wetters um einen Tag auf Freitag geschoben worden, die Rakete hob pünktlich um 11.49 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit am historischen Startplatz 39A in Cape Canaveral, Florida, ab. Während eine Sojus-Kapsel am 9. April nur dreieinhalb Stunden bis zur ISS brauchte, wird Crew-2 erst am Samstag gegen 11.10 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit ankommen. Die unterschiedlich langen Flugzeiten hängen auch mit Starttermin, Bahnmechanik und dem Standort der ISS zusammen.

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