Süddeutsche Zeitung

Positionspapier von Schäuble:Eine Seite Sprengstoff

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Von Daniel Brössler und Alexander Mühlauer, Brüssel

Es ist nur eine Seite, aber eine Seite Sprengstoff. "Kommentar zu den jüngsten griechischen Vorschlägen" ist das Papier aus dem Hause Schäuble überschrieben, das pünktlich zum Treffen der Euro-Finanzminister öffentlich wurde. Was die griechische Regierung an Reformvorschlägen unterbreitet hat, wird dort ziemlich barsch als unzulänglich eingestuft.

"Wir brauchen eine bessere, eine nachhaltige Lösung", heißt es. Ultimativ werden den Griechen zwei Wege gezeigt, die sie für die Wahl zwischen Pest und Cholera halten dürften. Entweder sollen sie bei den Reformen umgehend deutlich nachbessern oder sie sollen eine "Auszeit von der Euro-Zone" nehmen, vorzugsweise fünf Jahre. Das heißt nichts anderes als: Grexit.

Das deutsche Papier schlägt in Brüssel ein, für Ärger sorgt es aber auch in Berlin. "Ein zeitweiser Grexit ist kein ernsthafter Vorschlag. Er ist eine Bedrohung für den Rest der Eurozone", twittert Carsten Schneider, haushaltspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag. Ein Tweet, der pikanterweise von Michael Roth, Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt retweetet wird.

Pikant, weil das Papier aus dem Ministerium von Finanzminister Wolfgang Schäuble angeblich mit Bundeskanzlerin Angela Merkel abgestimmt ist und auch SPD-Chef Sigmar Gabriel davon wusste. Roth jedenfalls macht seinen Retweet rückgängig.

Empörung in der SPD

In der SPD herrscht Empörung über die Behauptung, Schäubles Grexit-Papier sei mit den Sozialdemokraten abgestimmt. "Schäuble spielt falsch: sein Grexit-Plan hat NICHT die Unterstützung der SPD", schreibt Hubertus Heil, Vizechef der SPD-Fraktion. Der SPD-Abgeordnete Johannes Kahrs nennt die Berichte "groben Unfug" und beteuert, die SPD habe dem Grexit auf Zeit nicht zugestimmt.

Für ein bisschen Klarheit sorgt schließlich nach Stunden der Verwirrung Gabriel selbst. "Der Vorschlag des Bundesfinanzministers Wolfgang Schäuble für ein zeitlich befristetes Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone war der SPD natürlich bekannt", lässt er auf Facebook wissen. In der derzeitigen Situation müsse jeder "denkbare Vorschlag" geprüft werden. Realisierbar sei der Plan aber nur, wenn auch Griechenland das wolle.

Während zwischen den Berliner Koalitionären die Fetzen fliegen, saß Schäuble auch mitten in der Nacht noch im Sitzungssaal des Brüsseler Lex-Gebäudes: Eine Einigung ist auch Stunden vor Beginn des Gipfels der Staats- und Regierungschefs nicht in Sicht. Die Euro-Gruppe hat sich nach neunstündigen Verhandlungen vertagt.

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