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Nach den Paradise Papers:Plötzlich bekämpfen die Niederlande Steuerflucht

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Von Bastian Brinkmann, München

Das niederländische Wort für Steuern lautet "belasting", das klingt nach Last, nach Belästigung. Was erlaubt sich das Finanzamt, einem erfolgreichen Unternehmen Geld wegzunehmen? Wer so dachte, war in den Niederlanden lange gut aufgehoben. Das Land gilt als eine der wichtigen Steueroasen für internationale Konzerne. Vor allem US-Unternehmen freuen sich darüber, das dank einer niederländischen Firmentochter Gewinne geräuschlos auf die Bermudas verschoben werden können, wo Profite gar nicht versteuert werden müssen.

Doch die Niederlande wollen keine Steueroase mehr sein. "Mein Ziel ist es, Steuervermeidung und Steuerhinterziehung zu bekämpfen", sagt Menno Snel, der zuständige Staatssekretär der Regierung. Staatssekretäre sind in den Niederlanden mächtiger als in Deutschland, sie haben ihr eigenes Portfolio, bei Snel sind es die Steuern. Und er macht klare Ansagen: "Ich will das Image aus der Welt schaffen, dass die Niederlande ein Land sind, das es den multinationalen Konzernen leicht macht, Steuerzahlungen zu vermeiden."

Snel ist Mitglied der Partei D66, die als linksliberal gilt und seit Ende 2017 der Regierung angehört. Politikwissenschaftler bewerten D66 als die niederländische Partei, die am stärksten für eine Steuerharmonisierung in der EU eintritt.

Diese Woche hat Staatssekretär Snel dem Parlament drei Gesetzesänderungen vorgestellt. Erstens sollen Auslandsverluste nicht mehr wie bisher geltend gemacht werden können. Bislang nutzt beispielsweise der britisch-niederländische Ölkonzern Shell diese Regel. Shell stand im Frühjahr in der Kritik, weil der Konzern auf diese Weise 2016 bis 2018 Gewinne nicht versteuern musste. Zweitens bekommen Unternehmen künftig weniger Rabatt, wenn sie Geld für Forschung ausgeben. Bislang zahlen sie dank einer sogenannten Innovationsbox dann nur sieben Prozent Steuern, die Rate soll auf neun Prozent steigen. Es ist nämlich umstritten, ob diese auch Patentboxen genannten Instrumente wirklich die Forschung fördern oder nur ein Steuersparmodell sind. Und drittens - vielleicht der wichtigste Punkt - wollen die Niederlande eine Quellensteuer einführen, wenn Konzerne Gewinne über Zinsen und Lizenzgebühren in Steueroasen wie die Bermudas verschieben. All das soll von 2021 an gelten.

Die Paradise Papers haben 2017 aufgedeckt, wie der US-Konzern Nike die Niederlande nutzte, um Milliarden an Steuern für Gewinne außerhalb der USA zu sparen: Die Sportartikel-Firma verschob die Markenrechte für das berühmte Logo auf die Bermudas, die Gewinne folgten über ein niederländisches Firmenkonstrukt.

Das ist genau die Fluchtroute, die die neue Quellensteuer blockieren will. Sie soll genauso hoch sein wie dann die heimische Körperschaftsteuer: 21,7 Prozent. Für die Niederlande zählen alle Staaten als Steueroasen, die weniger als neun Prozent Steuern von Firmen fordern. Die Bermudas wären also betroffen. Den Haag hat 21 Länder als Steuerparadiese identifiziert und diese im Jahr 2018 auf eine schwarze Liste gesetzt.

Niederlande diskutieren nach Panama und Paradise Papers über Steuerflucht

Es ist offensichtlich: Die Medienberichte über die Steuertricks der Konzerne haben etwas verändert in dem Land. Es wird diskutiert, welches Steuerverhalten fair ist. Die niederländische Shell-Chefin musste sich vor dem Parlament rechtfertigen.

"Die Reform ist ein Schritt in die richtige Richtung", sagt Arjan Lejour, Programmleiter für öffentliche Finanzen beim staatlichen, aber unabhängigen Forschungsinstitut CPB. Doch die Quellensteuer geht ihm nicht weit genug. Sie schaut nämlich nur auf die offiziell zu zahlende Körperschaftsteuer, nicht auf die Rate, die Konzerne dank Ausnahmen später tatsächlich bezahlen. Diese sogenannte effektive Rate liegt oft deutlich niedriger. Somit blieben Schlupflöcher für Konzerne erhalten, kritisiert Lejour. Geld könne weiterhin nach Luxemburg und Irland abfließen - und dort wie gehabt nur gering besteuert werden.

Und wie reagieren die US-Unternehmen? Die US-Handelskammer in den Niederlanden wollte sich auf Anfrage noch nicht äußern.

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SZ vom 19.09.2019
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