Süddeutsche Zeitung

Chipkrise:Mercedes verkauft 30 Prozent weniger Autos

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Mercedes-Benz meldet einen Absatzeinbruch, auch andere Autohersteller ächzen unter der Chipkrise. Nur Tesla verkündet weiter Rekordzahlen.

Von Christina Kunkel

Manchmal gehen Warnungen unter. Besonders oft passiert das, wenn diese ausgesprochen werden, wenn ein Unternehmen gerade prächtige Geschäftsergebnisse präsentiert. So konnte man auch bei Daimler schon im Juli, als Firmenchef Ola Källenius Rekordgewinne verkündete, in seinen Aussagen die Sorge, ja gar die Vorahnung heraushören, dass es für die Marke mit dem Stern in der zweiten Jahreshälfte nicht mehr so viele tolle Zahlen zu kommentieren geben wird.

Am Mittwoch zeigte sich dann, wie recht Källenius mit seinen Einschätzungen hatte. Fast ein Drittel weniger Autos im Vergleich zum Vorjahreszeitraum lieferte Mercedes-Benz zwischen Juli und September aus. In vielen Regionen gab es prozentual zweistellige Rückgänge, so auch in Deutschland und Europa sowie im größten Markt China. Lediglich bei den Top-Modellen wie der S-Klasse und auch bei elektrifizierten Antrieben konnte Mercedes zulegen. Das dürfte aber vor allem daran liegen, dass der Autobauer dem margenträchtigen Premiumsegment und den E-Modellen, die man zum Erreichen der EU-Flottengrenzwerte braucht, Priorität einräumt und knappe Ressourcen lieber in diese Modelle steckt. Im bisherigen Jahresverlauf hat Mercedes die Auslieferungen immerhin noch um 2,7 Prozent auf 1,59 Millionen Autos steigern können. Der Vorsprung vor dem von Corona-Lockdowns belasteten Vorjahr ist nach dem dritten Quartal damit aber deutlich abgeschmolzen.

Dass die Stuttgarter aktuell weniger Autos verkaufen als im Vorjahr, liegt allerdings nicht an der fehlenden Nachfrage. Wie alle anderen Autohersteller leidet Daimler unter dem Chipmangel. Denn nach wie vor sind Halbleiter knapp, die in Form von Mikrochips unverzichtbar für jedes Auto sind. Die Situation ist die: Ohne Chips kann man zwar Blechgebilde zusammenbauen, die von außen wie ein fertiges Auto ausschauen. Doch verkaufen kann man diese Vehikel nicht, weshalb gerade unzählige Wagen herumstehen und auf ihre Fertigstellung warten.

Abgespeckte Ausstattung, keine Nachrüstung

Wie groß die Not bei den Stuttgartern ist, zeigt ein Beispiel, über das zuerst die Stuttgarter Nachrichten berichtet hatten: So hätten einige Kunden ihren Mercedes mit einem Hochleistungsnavigationsgerät als Sonderausstattung bestellt. Damit soll etwa über ein erweitertes Head-up-Display die Routenführung in die Frontscheibe eingespiegelt werden, damit man beim Fahren nicht mehr auf den Bildschirm im Auto schauen muss. Den Käufern sei versprochen worden, dass dieses Feature später nachgerüstet werden kann. Doch weil die nötigen Hochleistungsspeicherchips dafür weiterhin fehlen, werden einige Fahrzeuge jetzt in einer abgespeckten Version ausgeliefert, bei der eine Nachrüstung mit den besseren Navigationsfeatures gar nicht mehr möglich ist.

Dazu hieß es von Daimler, betroffene Kunden könnten in solchen Fällen ihr bestelltes Auto mit einer reduzierten Ausstattung zu einem günstigeren Preis bekommen. Sollte ein Kunde mit diesem Angebot nicht einverstanden sein, könne er vom Kaufvertrag zurücktreten. Wer aber ein Auto mit der reduzierten Ausstattung abnimmt, könne nicht mit einer späteren Nachrüstung rechnen. Das sei aus technischen Gründen nicht immer möglich, hieß es vom Mercedes-Benz-Vertrieb. Wie viele bestellte Autos und welche Modelle wegen der Chipkrise nun mit der abgespeckten Ausstattung vom Band gehen, blieb offen.

Doch Daimler ist nicht der einzige Konzern, dessen Absatz unter den fehlenden Mikrochips leidet. Genau aus dem gleichen Grund muss etwa Opel seine Produktion in Eisenach über mehrere Monate aussetzen, VW fährt wochenweise Kurzarbeit, auch BMW warnt vor anhaltenden Folgen des Mangels. Der einzige Konzern, der derzeit dem Chipmangel noch zu trotzen scheint, ist Tesla. Der US-Elektroautobauer brachte im dritten Quartal weltweit gut 241 300 Fahrzeuge zu den Kunden, gut 53 Prozent mehr als ein Jahr zuvor.

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