Süddeutsche Zeitung

Tourismus:Die Rückkehr der Riesen

Lesezeit: 4 min

Vor der Krise konnten die Flotten der Reedereien gar nicht groß genug sein. Jetzt kämpfen sie darum, ihre Schiffe auszulasten. Die ersten Unternehmen warnen schon vor einem Preiskampf.

Von Sonja Salzburger

Die Corona-Pandemie trifft die Kreuzfahrtbranche noch immer hart. Die deutschen Reedereien haben zwar einen Großteil ihrer Schiffe wieder aufs Meer geschickt, müssen aber gleichzeitig etliche Touren absagen. Viele Häfen und Länder sind weiterhin für Kreuzfahrtschiffe geschlossen, und es gelten strenge Reisebeschränkungen.

Dennoch wächst die Hoffnung auf eine Erholung. "Seit es wieder Reisemöglichkeiten gibt, haben die Buchungen sehr gut angezogen", heißt es zum Beispiel bei Phoenix Reisen. Eine Tui Cruises-Sprecherin meldet ebenfalls eine zufriedenstellende Nachfrage, sieht 2021 allerdings als "Übergangsjahr", in dem oft nur kurzfristig geplant und gebucht wird. Auch der Aida-Pressesprecher äußert sich vorsichtig optimistisch und hofft auf eine stärkere Auslastung der Flotte: "Unser Plan ist es, zum Ende des Jahres wieder mit zehn Schiffen in Fahrt zu sein, das sind mehr als 80 Prozent unserer Schiffskapazität."

Der Aufwand für die Reedereien ist enorm gestiegen

Wegen hoher finanzieller Verluste durch die Corona-Pandemie sowie der an Bedeutung gewinnenden Klimaschutzdiskussion steht die Kreuzfahrtbranche momentan stark unter Druck. Bis 2019 war der Markt jährlich gewachsen. Während 1995 nur etwa 300 000 Passagiere aus Deutschland ihren Urlaub auf einem Kreuzfahrtschiff verbracht haben, waren es 2019 bereits 3,7 Millionen. Doch der Aufwärtstrend wurde 2020 jäh gebremst. Nach Angaben des Deutschen Reiseverbandes haben im vergangenen Jahr nur noch 1,4 Millionen Deutsche eine Kreuzfahrt unternommen, knapp 60 Prozent weniger als 2019. Monatelang lag ein Großteil der Schiffe wegen der Pandemie ungenutzt in den Häfen. In anderen Ländern sah es kaum besser aus. Allein 2020 wurden nach Angaben des Kreuzfahrtverbandes Clia weltweit Verluste im Wert von 77 Milliarden US-Dollar eingefahren, mehr als 500 000 Menschen aus der Branche verloren ihren Job.

Mittlerweile können zwar wieder mehr Kreuzfahrten angeboten werden, allerdings nur mit strengen Hygienekonzepten. Landgänge sind bei manchen Reisen gar nicht vorgesehen, bei anderen nur unter strengen Auflagen erlaubt. Um Abstandsregeln zu gewährleisten, dürfen die Schiffe höchstens zu 60 bis 80 Prozent ausgelastet werden. Für die Gäste hat das auch Vorteile. Da sich die Crew um weniger Menschen kümmern muss, dürften sich viele besonders gut umsorgt fühlen. "Unsere Gästezufriedenheit ist zum Teil höher als in Zeiten vor Corona", heißt es zum Beispiel bei Tui Cruises.

Gleichzeitig ist der Aufwand, den die Reedereien betreiben müssen, enorm gestiegen. Sie müssen beispielsweise Corona-Tests und tägliche Temperaturmessungen anbieten, mehr Ordner abstellen, welche die Einhaltung der Abstandsregeln kontrollieren, ihre Schiffe häufiger reinigen und zwischen zwei Reisen komplett desinfizieren. Hinzu kommen Abstimmungsprozesse mit den Behörden vor Ort und die Anpassungen der Routen je nach Infektionslage und Corona-Auflagen der verschiedenen Destinationen.

Auf die Preise hat sich das bislang allerdings nicht ausgewirkt. Von den Gästen mehr Geld zu verlangen, um trotz reduzierter Passagierzahl und erhöhtem Aufwand wirtschaftlich arbeiten zu können und so zumindest einen Teil der pandemiebedingten Verluste aufzufangen, scheint sich keine Reederei zu trauen. "Wir gehen davon aus, dass sich die Preise auf dem gleichen Niveau einpendeln werden wie vor der Pandemie", so Tui-Cruises. Auch bei Phoenix Reisen sind derzeit keine Erhöhungen geplant, viel wichtiger sei es, die Schiffe wieder stärker auszulasten und die Gesamtflotte wieder in Fahrt zu bringen, so das Unternehmen.

Aida-Vertriebschef Alexander Ewig warnt bereits vor einem Preiskampf in der Branche. Im Interview mit dem Touristik-Branchenmagazin fvw hat er dazu aufgerufen, dass alle Reedereien "vernünftige Preise" verlangen sollten. Bislang ist allerdings nicht ersichtlich, dass sein Unternehmen hier eine Vorreiterrolle einnimmt - im Gegenteil. Wer sich beispielsweise am 28. Juli auf der Aida-Website für eine siebentägige Reise im August an der spanischen Mittelmeerküste interessiert hat, bekam Angebote ab 450 Euro pro Person angezeigt. Zwei Tage später wurde der Preis nochmal um 50 Euro pro Person gesenkt. Bei diesen Last-Minute-Schnäppchen geht es wohl vor allem darum, die Schiffe zu füllen.

Den Reedereien dürften Preiserhöhungen auch deswegen schwer fallen, weil sie ihre Flotten in den vergangenen Jahren immer weiter ausgebaut und dementsprechend mehr Kabinenplätze zu verkaufen haben. Kreuzfahrten haben sich längst von einem Luxus- zu einem Massenprodukt gewandelt. Aida zum Beispiel bringt noch Ende des Jahres ein neues Schiff auf dem Markt, Nummer 14. Cosma heißt der jüngste Neubau, der momentan in der Papenburger Meyer-Werft fertiggestellt wird und Platz für 5200 Gäste bietet.

Das Thema Nachhaltigkeit setzt die Branche unter Druck

Nicht nur die Frage nach den richtigen Preisen, auch das Thema Nachhaltigkeit stellt die Branche zunehmend vor Herausforderungen. Aida wirbt damit, dass ihr neues Schiff umwelttechnisch auf dem aktuellsten Stand sei, immerhin werde die Cosma mit Flüssigerdgas betrieben. Das ist eine umweltfreundlichere Alternative zu den sonst üblichen Kraftstoffen entschwefeltes Schweröl und Schiffsdiesel, aber dennoch ein fossiler Brennstoff. "Egal, ob ich Flüssiggas oder Diesel verbrenne, ich habe auf jeden Fall einen hohen CO2-Ausstoß", sagt Andreas Humpe, Professor an der Fakultät für Tourismus an der Hochschule München. Humpe weist außerdem darauf hin, dass für die Verflüssigung und den Transport des Gases ein erheblicher Energieaufwand erforderlich sei. "Klimafreundliche Kreuzfahrtschiffe gibt es nicht und wird es auch in absehbarer Zeit nicht geben", so Humpe.

Wenngleich sich die Nachhaltigkeitsdebatte bislang noch nicht spürbar auf das Buchungsverhalten der Kreuzfahrtgäste auswirkt, ist das Thema in der Bevölkerung angekommen: Bei einer aktuellen Umfrage der Hochschule München, die Humpe gemeinsam mit seinem Kollegen Sven Sterzenbach im Auftrag des Travel Industry Club gemacht hat, gaben 37 Prozent der befragten Reisenden an, künftig auf Kreuzfahrten verzichten zu wollen - vor allem wegen der Umweltbelastung. Die Umfrage ist nicht repräsentativ, zeigt aber, dass Klimaschutz an Bedeutung gewinnt.

Womöglich könnte das Thema Nachhaltigkeit für die Reedereien auch eine Chance sein, ihr Image zu verbessern und außerdem langfristig die Preise anzuheben. Bei einer früheren Umfrage der Hochschule München, die Humpe im August 2019 noch vor der Corona-Pandemie gemacht hat, gab zumindest knapp die Hälfte der Befragten an, dass sie bereit sei, für umweltfreundlichere Kreuzfahrten mehr zu bezahlen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5368554
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.