Süddeutsche Zeitung

Energieschock:Die Regierung muss bessere Politik gegen die Krise machen

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Der Winter wird hart, denn die Inflation bleibt hoch und die Umsätze der Firmen schrumpfen. Jetzt sind zielgenaue Hilfen für die Bürger gefragt, damit die Wirtschaft nicht vollends abstürzt.

Kommentar von Alexander Hagelüken

Es wirkt wie ein Hoffnungszeichen, wie eine Kerze in der Finsternis: Gegen alle Prognosen ist die deutsche Wirtschaft von Juli bis September doch noch etwas gewachsen. Diese Überraschung sollte aber niemanden in die Irre führen. Die auch im Oktober heftige Inflation dürfte die Kerze ausblasen - und die Wirtschaft in den nächsten Monaten einbrechen lassen. Jetzt ist der Moment zu entscheiden, wie Politik und Tarifpartner diese Krise möglichst klein halten.

Denn eine Krise wird es wohl werden. Die führenden Konjunkturinstitute sehen die Wirtschaft 2023 schrumpfen. Dabei sollte alles so schön werden. Die Wirtschaftsleistung hat gerade erst ihr Niveau von vor dem Corona-Absturz erreicht. Nun sollte sie weiterwachsen, die Einkommen steigern und die Pandemie-Zeiten vergessen machen. Stattdessen dürfte bis weit ins nächste Jahr eine zweistellige Inflation die Bürger so plagen, dass sie ihren Konsum reduzieren - und so die Wirtschaft ins Minus drücken.

Die Hauptursache für die Teuerungswelle lässt sich klar benennen. Es ist nicht die schon etwas zurückliegende lockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank, die nun zurecht die Zinsen erhöht. Sondern Wladimir Putins Überfall auf die Ukraine nebst Gaslieferstopp. Diese Geschehnisse jedoch treiben die Preise nicht mehr hoch wie jetzt, sobald Deutschland seine Energieversorgung umgestellt hat. Wer den Bürgern erklärt, dass die Inflation nicht auf Jahre auf dem derzeitigen Niveau bleiben muss, mindert deren Verunsicherung. Und macht sie offener dafür, etwa ein paar Ersparnisse aufzulösen, um so viel wie möglich von ihren üblichen Ausgaben aufrecht zu erhalten.

Dadurch würde verhindert, dass die Wirtschaft völlig abstürzt. Der Konsum ist der zentrale Hebel, um die kommende Krise klein zu halten. In den vergangenen Monaten sorgte er dafür, dass das Bruttoinlandsprodukt überraschend doch etwas zunahm. Die Bürger werden aber nur weiter ausreichend konsumieren, wenn sie ausreichend Hilfe gegen die Teuerung erhalten. Worin könnte diese bestehen?

Die Metallindustrie hat so etwas wie eine gesellschaftliche Pflicht, sich bald zu einigen

Zum einen aus höheren Löhnen. Nach dem Deal in der Chemiebranche nähert sich die Metallindustrie einem Abschluss. Sie hat so etwas wie eine gesellschaftliche Pflicht, sich bald zu einigen. Mit Chemie und Metall hätten fast fünf Millionen Beschäftige und deren Familien mehr Lohn - und könnten mehr Geld ausgeben. Gleichzeitig würden zwei solcher Abschlüsse den Druck auf den Öffentlichen Dienst erhöhen, nicht so lange zu streiken, bis vermeintlich die Bäume in den Gewerkschafts-Himmel wachsen.

Entscheidend für den Konsum wird auch sein, wie sehr die Regierung den Bürgern gegen die Inflation hilft. Wie viel da nötig ist, wusste die Ampel-Koalition schon, als Wladimir Putin im Frühsommer den Gashahn abdrehte. Anstatt aber sofort zu handeln, verplemperte sie Monate mit ideologischen Debatten über Atomkraft und FDP-Chef Christian Lindners Wunsch, besonders Gutverdiener steuerlich zu entlasten. Die deshalb hektisch konstruierte Gaspreisbremse bleibt Stückwerk, bei dem wie beim Tankrabatt knappes Geld an Reiche mit XXL-Verbrauch verschwendet wird.

Stattdessen sollte mehr bei den von Inflation besonders belasteten Bürgern ankommen, die wenig verdienen und deren Konsum daher besonders gefährdet ist. Wenn schon Gaspreisbremse, dann mit scharfer Obergrenze bei der Zahlung pro Kopf. Die Bremse sollte auch nicht erst im März kommen, was für verängstigte Verbraucher zu spät ist. Und es sind zusätzliche Konsumschecks nötig, weil Menschen mit wenig Geld auch unter hohen Lebensmittelpreisen leiden.

Noch kann die Regierung den Konsum stärken und damit die Krise begrenzen. Aber sie muss dafür eine bessere Politik machen als bisher.

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