Hohe Energiepreise und weniger Konsum bremsen die deutsche Wirtschaft. Das Bruttoinlandsprodukt ist zwischen Juli und September zwar überraschend noch schwach gewachsen - es legte um 0,3 Prozent zu. Die nächsten Monate dürften aber viel schwieriger werden. "Der dicke Hammer kommt im Winter", warnt Sebastian Dullien vom Institut für Makroökonomie (IMK).
In den vergangenen Monaten wirkten gegenläufige Faktoren auf die Konjunktur. So löste sich mancher Lieferengpass auf, sodass Autohersteller und Maschinenbauer ihre hohen Auftragsbestände abarbeiten konnten. Positiv auf Branchen wie Reise oder Gastronomie wirkte, dass die Menschen nach den Corona-Einschränkungen wieder mehr aus dem Haus gehen. So nahm der private Konsum im dritten Quartal noch zu. Gleichzeitig machten sich die heftigen Preissteigerungen bei Energie und Lebensmitteln bemerkbar, sowohl in energieintensiven Industrien wie der Chemie als auch bei den Verbrauchern: "Die Menschen spüren die gestiegenen Preise und halten sich beim Konsum langsam zurück", berichtet Torsten Schmidt vom Essener RWI-Institut.
Nun gibt es bei der gerade hohen Teuerung kleine Entspannungssignale. So planen etwas weniger Unternehmen, demnächst ihre Preise anzuheben, so eine Umfrage des Münchner Ifo-Instituts. Und am Terminmarkt kostet Gas nur noch halb so viel wie im September, was manchen Firmen hilft. Doch Gas ist damit nach dem russischen Überfall auf die Ukraine und den Lieferstopps immer noch drei Mal so teuer wie im vergangenen Jahr. Und den Verbrauchern hilft der rückläufige Preistrend am Terminmarkt erst mal noch nichts.
"Die Belastung der Haushalte nimmt im Winter sogar zu, weil die Versorger Energiepreise grundsätzlich erst mit Verspätung an die privaten Kunden weitergeben", erklärt RWI-Konjunkturchef Torsten Schmidt. Er rechnet wie andere Ökonomen damit, dass die Inflation auch Anfang des Jahres zweistellig sein wird - und das die Wirtschaftsleistung hart trifft.
Genauso sieht es IMK-Direktor Sebastian Dullien. Die diesjährigen Preiserhöhungen für Energie im Großhandel kämen bei den Verbrauchern erst zwischen Oktober und Januar richtig an. "Viele Menschen leben stark danach, was gerade an Einkommen hereinkommt und was sie gerade ausgeben müssen. Wir gehen davon aus, dass die Verbraucher über den Winter wegen der hohen Preise weniger konsumieren." Und dadurch machen die Unternehmen deutlich weniger Geschäft.
Der Arbeitsmarkt ist noch stabil
Dieses Konsumproblem ist der Hauptgrund, warum die Wirtschaft im Gesamtjahr 2023 um 0,4 Prozent schrumpfen wird, so führende Konjunkturinstitute. Es wäre das erste Minus seit der herben Corona-Krise 2020. Und es wäre ein Dämpfer, weil sich die Wirtschaftsleistung - und damit die Einkommen der Deutschen - ja erst langsam von dieser Corona-Krise erholen.
Auf der anderen Seite gilt es die Proportionen zu sehen. Wenn es bei einem Minus von 0,4 Prozent bleibt, wäre das um ein Vielfaches weniger als in der Corona-Krise. Es gibt einige Faktoren, die positiv wirken. Zum einen ist der Arbeitsmarkt stabil. "Obwohl die Wirtschaft schrumpft, halten die Unternehmen wegen des Fachkräftemangels ihre Leute", beobachtet Torsten Schmidt. "Das begrenzt die Krise." Denn wenn viele Bürger arbeitslos würden, ginge viel Einkommen verloren und der Konsum würde noch weiter sinken.
Positiv auf den Konsum wirkt auch, dass die vielen Arbeitnehmer nächstes Jahr Lohnerhöhungen oder Einmalzahlungen zu erwarten haben. Und dass die Bundesregierung im Dezember die Abschlagszahlung für Gas übernimmt - und von März an die Gaspreisbremse die Kosten der Menschen begrenzen soll. Wenn die Bremse wie von einigen Politikern gefordert schon im Januar kommt, würde das den Konsum - und damit die Konjunktur - zusätzlich stärken.
Preissteigerung:Die Angst der Deutschen vor der Inflation
10,4 Prozent Inflation: Die Preise steigen im Oktober so stark wie seit 1951 nicht. Wie die Notenbank die Inflation früher in den Griff bekam - und wo es Parallelen zu heute gibt.
Mit einer Erholung der Wirtschaft aber ist erst ab Frühjahr zu rechnen, falls die Inflation dann wie erwartet langsam abnimmt. Erst für 2024 rechnen die Institute dann mit einem wirtschaftlichen Wachstum von zwei Prozent.
Bei diesen Hoffnungen gibt es jedoch ein Aber: Wenn der Winter sehr kalt wird, dann wird die Lage weit schwieriger. Je kälter der Winter wird, desto schwieriger wird es, wie geplant 20 Prozent des üblichen Gasverbrauchs einzusparen. Misslingt das und es kommt zu einem Gasmangel, können viele Betriebe womöglich nicht mehr produzieren. Dann könnte die deutsche Wirtschaft so schlimm abstürzen wie in der Corona-Krise - oder sogar noch schlimmer.