Süddeutsche Zeitung

Halbleiter:Infineon profitiert vom Chipmangel

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Die Chipkrise wird zu einer Bedrohung für die Weltwirtschaft. Es müssen neue Halbleiterfabriken gebaut werden. Infineon ist dabei vorne dran - bei Intel rückt eine wichtige Entscheidung näher.

Von Caspar Busse und Helmut Martin-Jung

Wie ernst die Lage mittlerweile ist, machte am Mittwoch noch mal Nikolai Setzer klar. Der Vorstandschef von Continental, einer der größten Autozulieferer der Welt, beklagte erhebliche Auswirkungen auf das Geschäft durch den aktuellen Chipmangel und durch steigende Rohstoffpreise. Schnelle Besserung sei leider nicht in Sicht. Der Halbleiterengpass werde auch im gesamten Jahr 2022 noch anhalten. Continental ist da nicht alleine: Nahezu alle Autohersteller weltweit und viele weitere Branchen leiden erheblich und müssen die Produktion zeitweise aussetzen. Der Chipmangel ist inzwischen zu einer echten Krise geworden und bedroht den weltweiten Wirtschaftsaufschwung.

Wer davon profitiert, ist unter anderem der Münchner Chiphersteller Infineon. Konzernchef Reinhard Ploss verkündete nach einem Rekordquartal nun gute Zahlen für das Geschäftsjahr 2021, Umsatz und Gewinn steigen deutlich. "Wir sind so schlagkräftig wie nie", sagte Ploss. Angesichts des weltweit anhaltend hohen Bedarfs an Halbleitern für die energieeffiziente und vernetzte Welt rechne er auch mit einem starken Geschäftsjahr 2022 (das von Oktober bis Ende September läuft). Der Umsatz soll auf 12,7 Milliarden Euro steigen, die Gewinnmarge bei 21 Prozent liegen, und die Investitionen sollen deutlich steigen.

Infineon hat eine neue Fabrik in Villach eröffnet

Im September erst hatte Infineon ein neues Werk im österreichischen Villach eröffnet, das nun genau zum richtigen Zeitpunkt den Betrieb aufnimmt. Denn Ploss sagte auch: "Ohne Kapazitätsbeschränkungen wäre ein noch größeres Wachstum möglich gewesen." Das heißt: Die Nachfrage ist deutlich höher als das Angebot. "Über eine neue Fabrik denken wir immer nach", sagte dazu Produktionsvorstand Jochen Hanebeck. Dafür kämen die schon bestehenden Infineon-Standorte Villach, Dresden oder Kulim in Malaysia infrage.

Infineon, vor mehr als 20 Jahren als Ausgründung aus dem Siemens-Konzern entstanden, gehört heute zu den zehn größten Halbleiterkonzernen der Welt und ist dabei der einzige in Europa. Alle anderen Konkurrenten sitzen in den USA oder in Asien. Infineon ist der größte Chiplieferant für die Automobilindustrie. Schnelle Entspannung erwartet auch Ploss nicht. Die Nachfrage werde dauerhaft hoch bleiben. Viele Anwendungen würden weiter elektrifiziert und digitalisiert. Die Chipknappheit in den Bereichen Automotive, Industrie, Rechenzentren, Internet der Dinge und anderen Bereichen werde damit bis weit in das Jahr 2022 bestehen bleiben. "Die Nachfrage übersteigt das Angebot weiterhin. Es gibt einen erheblichen Aufholbedarf. Aber der Auftragsbestand wächst nicht mehr so stark", sagte Ploss.

Intel will eine "Fab" in Europa bauen - wo, ist noch offen

Steigenden Bedarf gibt es in allen Bereichen, auch bei Hochleistungschips, wie sie etwa als Hauptprozessor in Computern oder Handys stecken - hier ist Infineon nicht aktiv. Europa ist dabei nahezu vollständig abhängig von einigen wenigen Lieferanten aus dem Ausland, vor allem aus Taiwan und Südkorea. Das Marktvolumen für Chips in Europa werde bis 2030 auf etwa 80 Milliarden Euro steigen, prognostiziert eine Studie der Beratungsfirma Kearney im Auftrag des Chipherstellers Intel. 43 Prozent davon sollen demnach Hochleistungschips sein. 2020 betrug das Auftragsvolumen erst 44 Milliarden Euro, davon waren nur 19 Prozent Hochleistungschips.

Vor allem in Taiwan und China erhielten die Unternehmen viele Vergünstigungen zum Beispiel bei Steuern und Abgaben oder beim Grunderwerb. Wenn Europa seine Abhängigkeit verringern wolle, müssten also die Kosten für die Unternehmen auch mit ähnlichen Maßnahmen reduziert werden. Darauf hofft auch Intel-Manager Greg Slater, der bei Intel weltweit für Regulierungsfragen zuständig ist. Die Voraussetzungen in Europa seien eigentlich hervorragend. Deshalb wolle Intel dort investieren und eine Fabrikation für Hochleistungschips aufbauen. Es gebe ausgezeichnete Grundlagenforschung, viele technisch orientierte Studenten. Nur der Betrieb von Produktionsstätten, der sogenannten Fabs, sei hier eben teurer als überall anders auf der Welt. Wo in Europa Intels Standort entstehen soll, sei noch nicht entschieden, sagt Slater, "aber die Liste wird kürzer".

Zu lange warten dürfe Europa nicht mehr, warnt die Kearney-Studie: "Die Uhr tickt." Selbst wenn jetzt eine Fab beschlossen würde, dauere deren Aufbau drei bis fünf Jahre, sagte auch der Intel-Manager Slater. Kearney-Studienautor Aurik: "Wenn wir jetzt nicht handeln, sitzen wir in zehn Jahren wieder hier und reden über dasselbe Problem."

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