Süddeutsche Zeitung

Kriegsfolgen:Henkel will endlich raus aus Russland

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Der Pril- und Persil-Hersteller klagt über Schikanen der russischen Regierung und westliche Rivalen, die einfach in dem Land bleiben. Bis zum Monatsende will der Konzern nun sein Russland-Geschäft verkaufen.

Von Björn Finke, Brüssel

Es geht um 19 Standorte, davon elf Fabriken, um 2500 Beschäftigte und eine Milliarde Euro Umsatz: Das Russlandgeschäft ist wichtig für den Düsseldorfer Konsumgüterhersteller Henkel. Trotzdem will der Anbieter von Pril und Persil, Pattex und Schwarzkopf-Kosmetika bis Ende März die russische Tochtergesellschaft namens "Lab Industries" verkaufen - nach mehr als 30 Jahren zieht sich das Dax-Unternehmen zurück aus dem Land. Finanzvorstand Marco Swoboda sagte am Dienstag bei der Vorstellung der Jahresbilanz, Henkel sei bei den Verhandlungen "auf gutem Wege".

Sein Chef, der Vorstandsvorsitzende Carsten Knobel, warnte aber zugleich, dass der Prozess "sehr komplex" sei. Knobel hatte den Verkauf im April angekündigt, zwei Monate nach Kriegsbeginn in der Ukraine. Er hatte damit auf öffentliche Kritik und Forderungen reagiert. Zunächst wollte Henkel das Geschäft bis zum Jahreswechsel abschließen, doch das gelang nicht. Neue Eigentümer sollen wohl russische Investoren sein. Allerdings knüpft die Regierung in Moskau solch einen Rückzug an strenge Bedingungen - und die ändern sich auch gerne mal: "Der regulatorische Rahmen in Russland ist nicht vorhersehbar", klagte Finanzvorstand Swoboda vornehm zurückhaltend.

Mit ähnlichen Problemen kämpft der Düsseldorfer Gasimporteur Uniper. Der will seine russische Kraftwerkstochter verkaufen, aber dafür muss offenbar Präsident Wladimir Putin höchstpersönlich die Erlaubnis erteilen. Das bleibt bislang aus - zugleich hat der verstaatlichte Krisenkonzern de facto keinen Zugriff mehr auf die russische Gesellschaft. Derartigen Ärger haben viele Unternehmen: Michael Harms, Geschäftsführer des Ost-Ausschusses der deutschen Wirtschaft, sagt, Moskau behindere den Rückzug westlicher Firmen und habe die Regeln dafür "immer weiter verschärft".

Eine Folge davon ist, dass der Abschied aus Russland teuer wird: Uniper hat die Sparte in der Bilanz schon komplett abgeschrieben, hält sie also für wertlos. Der Henkel-Konzern gibt den Wert seiner Tochter im Geschäftsbericht noch mit insgesamt 526 Millionen Euro an, wobei Vorstandschef Knobel kürzlich in einem Interview einräumte, dass die Firma den wahren Wert beim Verkauf "sicherlich nicht realisieren" könne. Bei der Bilanzpräsentation kritisierte der Manager, dass sich die anderen westlichen Konsumgüterhersteller diesen Ärger nicht antäten: Gelinge der Rückzug in den kommenden Wochen, werde Henkel in dieser Gruppe "einer der wenigen oder der einzige sein, der diesen Schritt vollzogen hat".

Die Kosmetik-Sparte ist zu klein

Die Querelen in Russland sind aber nicht das einzige Problem von Knobel, der seit drei Jahren das Unternehmen mit seinen mehr als 50 000 Beschäftigten führt. Im vergangenen Jahr hätten "die dramatisch gestiegenen Kosten für Rohstoffe und Logistik" Henkel zu schaffen gemacht, sagte er. Die Kosten legten demnach um mehr als zwei Milliarden Euro zu, nachdem sie bereits 2021 um eine Milliarde Euro gewachsen waren. Zum Vergleich: Von 2010 bis 2020 hatten die Kosten Knobel zufolge nur um durchschnittlich 100 Millionen Euro pro Jahr zugenommen. Henkel erhöhte daher die Preise, doch die verkauften Mengen sanken. Im Kosmetikbereich stiegen die Preise etwa um neun Prozent, bei Wasch- und Reinigungsmitteln um 13 Prozent.

Insgesamt kletterte der Umsatz um neun Prozent auf einen Rekordwert von 22,4 Milliarden Euro, der Betriebsgewinn sank allerdings auf 2,3 Milliarden Euro. Im laufenden Jahr soll der Umsatz deutlich langsamer wachsen, lediglich um höchstens drei Prozent. Als Begründung führt das Management an, dass sich die Konjunktur weltweit weiter abschwächen werde, während die Rohstoff- und Energiekosten hoch blieben.

Bei der Traditionsfirma, die mehrheitlich noch immer den Nachfahren des Gründers Fritz Henkel gehört, läuft das Geschäft in der Klebstoffsparte am besten. Die beliefert zum Beispiel Auto-, Flugzeug- und Verpackungshersteller. Der langjährige Chef Jan-Dirk Auris verließ Henkel aber Anfang des Jahres - wegen eines verlorenen Machtkampfes mit Konzernlenker Knobel, wie es heißt. Am schwächsten ist die Kosmetiksparte mit Marken wie Schwarzkopf, da Henkel hier im Vergleich zu anderen Kosmetikanbietern recht klein ist. Deshalb hat Knobel den Bereich jetzt mit der Sparte für Wasch- und Reinigungsmittel zusammengelegt.

Thomas Jökel, Fondsmanager bei Union Investment, klagte nach der Bilanzvorlage, dass die meisten von Henkels Wettbewerbern "weitaus besser abschneiden". Anleger zeigten sich ebenfalls enttäuscht: Im Börsenbarometer Dax gehörten die Henkel-Aktien zu den größten Tagesverlierern.

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