Süddeutsche Zeitung

Harley-Davidson im Zoll-Streit:Konzerne sind vaterlandslose Gesellen

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Harley-Davidson stellt sich als erste US-Firma offen gegen Trump. Richtig so. Konzerne müssen rational handeln, wenn die Politik irrational ist.

Kommentar von Caspar Busse

Dieses Unternehmen steht für Amerika wie wenige andere: Harley-Davidson verkauft nicht nur schwere und laute Motorräder, sondern mit ihnen ein Lebensgefühl, nämlich das von Freiheit und Abenteuerlust. Ausgerechnet diese mehr als hundert Jahre alte Firma aus Milwaukee im US-Bundesstaat Wisconsin, den Donald Trump bei der Präsidentenwahl überraschend gewonnen hat, ist nun das erste amerikanische Unternehmen, das aus dem weltweiten Handelsstreit Konsequenzen zieht und sich damit offen gegen den Präsidenten stellt.

Künftig sollen mehr Harley-Maschinen im Ausland produziert werden, um so die neuen Vergeltungszölle der Europäischen Union zu umgehen. Das bedeutet: Voraussichtlich weniger Jobs in den USA - statt mehr, wie von Trump vollmundig versprochen.

Vielleicht mag die Erkenntnis für einige neu oder überraschend sein, aber: Wenn es hart kommt, kennen Unternehmen, noch dazu solche, die weltweit Geschäfte machen, trotz oft anders lautender Lippenbekenntnisse, keinen Patriotismus. Konzerne tun das, was für ihr Geschäft - und damit am Ende für ihre Mitarbeiter und ihre Eigentümer - am besten ist. Sie handeln rational, mag die Politik oft auch noch so irrational sein. Das ist das Prinzip der Marktwirtschaft - und das ist im Grundsatz richtig und gut.

Ein Motorrad wird durchschnittlich um 2200 Dollar teurer

Harley-Davidson etwa kommt durch den Zollkonflikt gleich doppelt unter Druck: Zum einen werden Stahl und Aluminium für die Produktion in den USA teurer. Zum anderen werden für Maschinen, die von den USA nach Europa geliefert werden, künftig 25 Prozent Extra-Zoll fällig. Ein Motorrad wird damit durchschnittlich um etwa 2200 Dollar teurer, teilte die weltbekannte Firma mit. Um wettbewerbsfähig zu bleiben und den europäischen Markt, der zweitwichtigste für Harley-Davidson, zu retten, will das Unternehmen nun die Produktion nach Brasilien, Thailand oder Indien verlagern.

So bitter die Entscheidung für Mitarbeiter von Harley-Davidson ist, denn sie verlieren vielleicht ihre Jobs: Hier zeigen sich doch exemplarisch die Folgen der verhängnisvollen Spirale von Zöllen und Vergeltungsaktionen, die gerade in Gang kommt. Die Abschottung der eigenen Wirtschaft wird am Ende allen schaden. Das wird auch Trump erfahren, der rationalen Argumenten bekanntermaßen wenig zugänglich ist.

Gibt es Hoffnung? Wird der Fall Harley-Davidson zu einem Umdenken führen? Cecilia Malmström, die Außenhandelskommissarin der EU, geht davon aus, dass künftig noch mehr US-Unternehmen die Politik unter Druck setzen, die Strafzoll-Politik zu stoppen. Das wäre zu hoffen. Immerhin teilte der US-Präsident in einer allerersten Reaktion nach der Mitteilung von Harley-Davidson mit: "Bin überrascht." Doch danach ließ er seinem Ärger freien Lauf. Und drohte Harley-Davidson mit weiteren Steuern und Zöllen.

Entspannung ist also nicht in Sicht. Die EU hat bereits Vergeltungszölle auch auf US-Produkte wie Whiskey, Jeans, Reis, Mais verhängt. Nun könnten die USA solche auf Autoimporte aus Europa erheben. Wie hart das die deutschen Hersteller treffen wird, ist offen. Es ist durchaus möglich, dass die - meist sehr gut situierten - amerikanischen Käufer von BMW-, Mercedes- und Porsche-Modellen höhere Preise in Kauf nehmen, die Nachfrage also nicht zusammenbricht.

Wie kühl die Wirtschaft reagiert und vor allem im eigenen Interesse handelt, zeigt sich an vielen Beispielen. BMW und Daimler beispielsweise produzieren Geländewagen, sogenannte SUVs, in den USA und exportieren diese teilweise nach China. Nach den von China angekündigten Einfuhrzöllen für Pkw aus den USA dürfte mittelfristig die Herstellung nach China verlagert werden. Die Münchner haben bei der Produktion des X3 damit schon begonnen. Airbus wiederum droht damit - bei einem EU-Austritt Großbritanniens ohne Vertrag - massiv Produktion aus dem Land abzuziehen. Auch BMW sprach davon, notfalls Werke zu schließen. Dabei geht es um Tausende Arbeitsplätze.

Loyalität zählt wenig, das hat auch Deutschland in der Vergangenheit zu spüren bekommen. Viele Konzerne, die großen Autobauer, aber auch die Chemieunternehmen, Firmen wie Siemens und viele andere, haben massiv Produktion und Arbeitsplätze aus Deutschland verlagert, vor allem nach China, auch weil dort die Geschäftsaussichten besser sind. Globale Konzerne handeln nicht aus patriotischen Gründen. Aber gesunde Unternehmen sind gut für ihr Heimatland.

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SZ vom 27.06.2018
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