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EZB-Strategie:Draghi will Deflation notfalls mit drastischen Mitteln bekämpfen

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Um die Preise vor dem Absacken zu bewahren, sind nun auch offiziell "unkonventionelle Maßnahmen" im Gespräch: EZB-Chef Draghi erklärt erstmals massive Anleihekäufe gegen drohende Deflation für möglich. Dabei ist unsicher, ob das überhaupt helfen würde.

Von Markus Zydra, Frankfurt

Mario Draghi ist allzeit bereit: Der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) hat seine Bereitschaft unterstrichen, die Eurozone unter allen Umständen vor einer Deflation zu bewahren. "Wir sind uns im EZB-Rat einig, dass wir auch unkonventionelle Maßnahmen ergreifen werden, um den Risiken einer allzu langen Phase mit niedriger Inflation zu begegnen", sagte er am Donnerstag in Frankfurt.

Bei diesen Maßnahmen geht es im Kern darum, die Geldmenge im Euroraum aufzublähen, um so die Inflation in die Höhe zu treiben. Im März war die Teuerungsrate in der Eurozone auf 0,5 Prozent gesunken, der tiefste Stand seit vier Jahren. Bisher sieht Draghi keine Deflationsgefahr, zumal die Wirtschaft in Europa langsam anziehe. Doch die Tatsache, dass man im EZB-Rat alle möglichen Gegenmaßnahmen durchdeklinierte, zeigt, dass die EZB die Lage kritisch einschätzt.

Für den Ernstfall sind deshalb auch massive Ankäufe von Wertpapieren im Gespräch. Experten sprechen von Quantitative Easing (QE). Hier könnte die EZB nach einem noch zu bestimmenden Schlüssel Staatsanleihen aller Eurostaaten kaufen. Diese Maßnahme wäre damit etwas grundlegend anderes als das bereits beschlossene Anleihekaufprogramm OMT. Hier würde die EZB nur Anleihen finanzschwacher Staaten kaufen. Die Bundesbank hat jüngst noch einmal bestätigt, dass sie im Prinzip nichts gegen QE einzuwenden hätte, allerdings nur für den Fall, dass die Maßnahme wirklich notwendig sei.

Auch Langfristkredite oder eine Zinssenkung wären denkbar

"Wir hatten darüber eine tief greifende und ausgiebige Diskussion", betonte Draghi. Die Notenbanken in den USA, Großbritannien und Japan haben dieses Mittel schon angewendet. Da die Finanzierung der Wirtschaft in der Eurozone hauptsächlich über Banken und nicht über den Finanzmarkt abläuft, ist man sich bei der EZB aber noch unsicher, ob ein QE wirklich das geeignete Mittel wäre, um eine Deflation zu bekämpfen.

Als ziemlich sicher gilt unter Volkswirten, dass flächendeckende Anleihekäufe durch die EZB erst dann zum Einsatz kämen, wenn alle anderen Gegenmaßnahmen nichts gefruchtet haben. Schließlich könnte die EZB auch noch über andere Kanäle frische Milliarden ins System pumpen, um so die Preise zu erhöhen, etwa durch neue Langfristkredite und eine Freisetzung der 180 Milliarden Euro aus dem ersten Anleihekaufprogramm der EZB.

Auch eine Zinssenkung wäre denkbar. Der Leitzins notiert auf dem Rekordtiefstand von 0,25 Prozent. Gerade aus dem angelsächsischen Raum kommen immer wieder Empfehlungen, den Zins weiter abzusenken. Erst am Mittwoch hatte die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, die Eurozone zum Kampf gegen die niedrige Inflation aufgerufen. Notfalls, so Lagarde, solle die EZB auch zu ungewöhnlichen geldpolitischen Lockerungsmaßnahmen greifen, um die Preisstabilität zu sichern.

"Der IWF war sehr großzügig mit seinen Empfehlungen"

Diese Art von Ratschläge kommen bei Draghi offenbar nicht gut an. "Der IWF war sehr großzügig mit seinen Empfehlungen, wir sind da sehr dankbar", sagte der EZB-Chef auf eine entsprechende Frage mit süffisantem Unterton. "Aber wir sind da anderer Meinung." Die EZB tut bislang nichts, weil sie davon ausgeht, dass die Inflationsraten ab April wieder ansteigen werden. "Wenn sich dieses Szenario für die Inflation aber wider Erwarten nicht bewahrheitet, dürfte die EZB ihre Geldpolitik weiter lockern", sagt Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank.

Die EZB wird nicht warten, bis die Deflation da ist, sie wird handeln. "Je länger Inflationsraten niedrig bleiben, desto stärker beeinflusst das die Erwartung", so Draghi. Wenn Firmen und Verbraucher in der Zukunft mehrheitlich mit fallenden Preisen rechnen, verschieben sie ihre Ausgaben. Unternehmen machen weniger Gewinn bei gleichbleibenden Kosten. In Japan führte die Deflation zu einer langen Rezession. Doch Draghi möchte Japan nicht mit der Eurozone vergleichen. "Wir sehen nicht, dass das Risiko für eine Deflation gestiegen ist.

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SZ vom 04.04.2014
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