Süddeutsche Zeitung

Cum-Ex-Steuerskandal:Kronzeuge geht auf Gauweiler los

Lesezeit: 6 min

Dem prominenten Anwalt wird unterstellt, er könnte im Cum-Ex-Skandal Parteiverrat begangen haben. Gauweiler weist das zurück und spricht von Retourkutsche. Es geht um die Privatbank Warburg.

Von Klaus Ott und Nils Wischmeyer, Bonn

Peter Gauweiler stürzt sich als Anwalt gerne ins juristische Schlachtengetümmel. Große Fälle, bei denen heftig gerungen wird, sind seine Sache. Schon als CSU-Politiker ist der einstige Vizeparteichef, Minister und Abgeordnete keinem Streit aus dem Weg gegangen.

Doch jetzt wird es besonders heftig. In einem Cum-Ex-Verfahren beim Landgericht Bonn um die Hamburger Privatbank Warburg wird dem prominenten Münchner Juristen plötzlich unterstellt, er könnte Parteiverrat begangen haben. Dass ein Jurist in ein- und derselben Sache gegnerischen Parteien zu Diensten gewesen sei, ist so ziemlich das Schlimmste, was man einem Anwalt nachsagen kann.

Gauweiler weist den Vorwurf zurück, er spricht von falscher Verdächtigung. Und von Retourkutsche. Weil er denjenigen, von dem diese Attacke kommt, kürzlich ebenfalls heftig angegriffen hat. Den Cum-Ex-Kronzeugen S., der selbst Anwalt ist und der nach Gauweilers Ansicht seinerseits Parteiverrat begangenen haben könnte. Es geht hoch her und um viel Geld.

Cum-Ex steht für Deutschlands größten Steuerskandal. Mehr als 100 Banken und Börsenhändler haben den Fiskus, also die Steuerzahler, mit offenbar kriminellen Aktiengeschäften geschätzt um insgesamt um mehr als zehn Milliarden Euro betrogen. Die hanseatische Privatbank Warburg und deren Spitzenleute sollen mitgemacht und wie viele andere Steuerhinterziehung in besonders schweren Fällen begangen haben. Warburg bestreitet das.

Wie ein Boxkampf, der sich in der höchsten Klasse abspielt

Das Bankhaus Warburg hat Gauweiler auf seiner Seite; und den Kronzeugen S. gegen sich. S. hat als Jurist an vielen Cum-Ex-Geschäften zu Lasten der Staatskasse mitgewirkt, hat ausgepackt und tritt in vielen Fällen als Kronzeuge auf. So auch in einem aktuellen Prozess beim Landgericht Bonn gegen den früheren Generalbevollmächtigten von Warburg. S. belastet die Hamburger Privatbank und deren Ex-Generalbevollmächtigten schwer.

Jetzt geht S. noch einen Schritt weiter. Über seine Anwälte Alfred Dierlamm und Tido Park geht der Kronzeuge S. bei der Staatsanwaltschaft Köln auf Gauweiler los. S. will vor Jahren, als die Cum-Ex-Ermittlungen begannen, selbst den Rat von Gauweiler und seiner damaligen Kanzlei Bub, Gauweiler & Partner eingeholt haben. Dass Gauweiler jetzt als Anwalt für Warburg und gegen ihn, den Kronzeugen streitet, nennt S. irritierend und inakzeptabel.

So haben das seine Anwälte Dierlamm und Park der Staatsanwaltschaft Köln geschrieben. Die Staatsanwaltschaft Köln ist der Ankläger im Bonner Warburg-Prozess. Und dort wiederum hat die Staatsanwaltschaft jetzt die Kritik von Dierlamm und Park an Gauweiler öffentlich gemacht. Die Kritik mündet in dem Satz, was da gerade geschehe, sei unter berufsrechtlichen und möglicherweise auch strafrechtlichen Gesichtspunkten völlig inakzeptabel. Das zielt auf Paragraf 356 (Parteiverrat) des Strafgesetzbuches.

Dierlamm und Park gehören ebenso wie Gauweiler zu Deutschlands führenden Strafverteidigern und sind bei vielen großen Fällen dabei. Bei Wirecard, bei der VW-Abgasaffäre, und so weiter.

Und jetzt kommt noch ein weiterer prominenter Anwalt ins Spiel: Thomas Fischer, viele Jahre Richter am Bundesgerichtshof (BGH), später Kolumnist beim Spiegel, und ebenso wie Gauweiler einer der streitbarsten Juristen im Lande. Inzwischen ist Fischer für Gauweilers neue Kanzlei Gauweiler & Sauter tätig. Und zusammen mit Gauweiler wirft sich Fischer für die Privatbank Warburg ins Cum-Ex-Schlachtengetümmel.

Wäre das, was sich derzeit in Deutschlands größtem Steuerskandal ereignet, ein Boxkampf, dann würde sich das in der höchsten Klasse abspielen. Dem Superschwergewicht. Alfred Dierlamm und Tido Park gegen Thomas Fischer und Peter Gauweiler; alles Superschwergewichte ihrer Branche. Und es geht um alles. Um das Ansehen, um viel Geld, und vor allem darum, wer den Ring beziehungsweise den Gerichtssaal als Sieger verlässt. Und wer von den vielen Cum-Ex-Beschuldigten ins Gefängnis muss und wer nicht.

Der frühere BGH-Richter und heutige Gauweiler-Kollege Fischer vertritt in Bonn den dort angeklagten Ex-Generalbevollmächtigten von Warburg, dem mehrere Jahre Haft drohen. Außerdem sind Fischer und Gauweiler auch für die beiden Hauptinhaber von Warburg tätig, Christian Olearius und Max Warburg. Das sind hanseatische Größen, doch darauf nimmt die Kölner Staatsanwaltschaft keine Rücksicht. Die Ermittler wollen Olearius und Warburg ebenfalls in Bonn vor Gericht bringen, und am liebsten wohl hinter Gitter.

Neben dem Geschehen in Bonn gibt es noch einen Schauplatz in Hamburg: einen Cum-Ex-Untersuchungsausschuss im dortigen Parlament, der Bürgerschaft. Der U-Ausschuss soll klären, was der damalige Warburg-Chef Christian Olearius vor Jahren mit dem seinerzeitigen Hamburger Bürgermeister und heutigem Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) in Sachen Cum-Ex besprochen hat. Ging es um politische Einflussnahme auf Steuerverfahren, die für Warburg gefährlich waren? Olearius und Scholz bestreiten das.

Auch im Untersuchungsausschuss haben sich Gauweiler und Fischer ins Schlachtengetümmel geworfen; für ihre Mandanten Olearius und Warburg. Auch da geht es vor allem gegen S., den Cum-Ex-Kronzeugen, der bei der Staatsanwaltschaft Köln ausgepackt und Warburg schwer belastet hat. Als trickreicher und durchtriebener Jurist hatte S. bei Cum-Ex auch mit Warburg zu tun gehabt.

Dass der Anwalt S. über seine damaligen Kontakte mit Warburg bei den Ermittlern und vor Gericht aussagt, bringt Fischer und Gauweiler in Rage. Sie haben den Hamburger U-Ausschuss aufgefordert, ein Gutachten der Bundesrechtsanwaltskammer einzuholen. Das Gutachten solle klären, ob und inwieweit die Staatsanwaltschaft Köln berechtigt gewesen sei, den Anwalt S. "zu einem Verrat von tatsächlichen oder angeblichen Mandantengeheimnissen anzustiften". Und ob damit "eine strafbare Verletzung des Anwaltsgeheimnisses und des Parteiverrats verbunden war".

Der Anwalt und Kronzeuge S. als Straftäter, weil er seine früheren Cum-Ex-Geschäftspartner verrate? Dieser Vorwurf bringt wiederum S. in Rage, und seine Anwälte Dierlamm und Park. Die beiden Anwälte beschreiben in ihrem besagten Brief an die Staatsanwaltschaft Köln im Detail, wie S. zu Beginn der Cum-Ex-Ermittlungen vor knapp einem Jahrzehnt selbst den Rat von Gauweiler gesucht habe. S. erinnere sich noch gut an ein Gespräch mit Gauweiler im Hotel Park Hyatt in Zürich, das im Frühjahr 2012 stattgefunden haben müsse.

Mit dabei soll damals auch Hanno Berger gewesen sein, Betreiber einer Kanzlei in Frankfurt, in der S. als Partner mitwirkte. Berger gilt als Mr. Cum-Ex, weil er Aktiendeals zu Lasten des Fiskus zwar nicht erfunden, aber immer wieder verfeinert haben soll. Berger war einer der führenden Steueranwälte der Republik. Jetzt lebt er in der Schweiz im Exil. Die Staatsanwaltschaft Köln will ihn dort herausholen und vor Gericht bringen, ein Haftbefehl liegt vor. Berger bestreitet alle Vorwürfe.

Zurück ins Jahr 2012. Da sollen also Berger, sein Kanzlei-Partner S. und Gauweiler zusammengesessen sein. Aus "Diskretionsgründen" in der Schweiz in einem eigens angemieteten Besprechungsraum im Hotel Park Hyatt in Zürich.

Berger und sein Kanzlei-Partner S. waren damals schon wegen Cum-Ex in Bedrängnis. Die Hypo-Vereinsbank verklagte sie nach fragwürdigen Geschäften auf mehr als 100 Millionen Euro Schadenersatz. Weitere Streitigkeiten waren absehbar. In dieser Lage sollen Berger und S. eine Kanzlei gesucht haben, die Mandanteninteressen kompromisslos durchsetze. Die Wahl sei auf Bub, Gauweiler & Partner in München gefallen, auch wegen der Beziehungen und des politischen Einflusses von Gauweiler. So beschreiben das die Anwälte des Kronzeugen S. in ihrem Brief an die Staatsanwaltschaft Köln.

In dem Brief heißt es weiter, Berger und S. hätten sich nach dem Treffen in Zürich einige Wochen oder gar wenige Monate durch "Gauweiler-Anwälte" beraten lassen. Dabei seien auch sensible Themen zu Sprache gekommen; in einer Hinsicht auch im Zusammenhang mit Warburg. Zudem habe der heutige Kronzeuge S. der damaligen Kanzlei von Gauweiler zahlreiche Unterlagen geschickt.

Es sei auch zu einer Honorarvereinbarung mit Bub, Gauweiler & Partner gekommen, in der unter anderem Gauweiler als beratender Anwalt genannt worden sei. Zu einem weitergehenden Auftrag für Gauweilers damalige Kanzlei im Streit mit der Hypo-Vereinsbank sei es dann aber nicht gekommen; wegen als überzogen empfunden Honorarvorstellungen der Kanzlei.

Seitenhieb auf Gauweilers neuen Kollegen, den Ex-BGH-Richter

Gauweiler teilte auf SZ-Anfrage dazu mit: "Ich habe weder den einen noch den anderen vertreten." Gemeint sind Berger und dessen Partner S. Die Sache ist kompliziert. Wäre ein Kennenlern-Gespräch in Zürich, so es denn stattgefunden hätte, schon eine juristische Beratung gewesen? Und eine Honorarvereinbarung gibt es zwar, sie datiert vom 14. Mai 2012. Aber sie ist offenbar nur von Gauweilers damaligen Partner Bub unterzeichnet worden, nicht aber von Gauweiler. Und wohl auch nicht von Berger und S.

Gleichwohl, so schreiben das die Anwälte des Kronzeugen S. an die Kölner Staatsanwaltschaft, habe es für Berger und S. eine "persönliche Beratung" durch Gauweilers damalige Kanzlei Bub, Gauweiler & Partner gegeben. Und dafür habe Gauweilers damalige Kanzlei auch ein Honorar bekommen. Dass Gauweiler nun den Kronzeugen S. wegen dessen Aussagen gegen Warburg nun mit Parteiverrat in Zusammenhang bring, sei nicht in Ordnung. Naheliegender wäre es doch gewesen, wenn Gauweiler in Bezug auf seine "fragwürdige Doppelfunktion" damals für S. und heute für Warburg der Frage nachgegangen wäre, ob bei ihm selbst ein Parteiverrat vorliegen könnte.

Das Schreiben der Anwälte von S. an die Staatsanwaltschaft Köln endet mit einem Seitenhieb auf Gauweilers neuen Kollegen, den Ex-BGH-Richter Fischer. Dass der in Bonn angeklagte Ex-Generalbevollmächtigte von Warburg von dem Gauweiler-Kollegen Fischer verteidigt werde, sei "unter berufsrechtlichen und möglicherweise auch strafrechtlichen Gesichtspunkten" völlig inakzeptabel. Schließlich hätten andere Gauweiler-Kollegen früher S. beraten.

Die Anwälte des Kronzeugen S. räumen gleichwohl ein, dass Fischer mit der angeblichen Beratung von S. vor neun Jahren durch die alte Gauweiler-Kanzlei nichts zu tun gehabt habe. In der Tat: Fischer war damals noch auf einer ganz anderen Seite, als Richter beim Bundesgerichtshof. Darauf hat Fischer nach Angaben von Prozessbeobachtern jetzt auch vor Gericht in Bonn verwiesen. Fischers Botschaft ist eindeutig: Was damals geschehen sein soll, ihn betreffe das nicht; bei ihm sei alles in Ordnung.

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