Süddeutsche Zeitung

Thyssenkrupp:Viele Aufträge, teures Material

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Deutschlands Fabriken kommen mit der Produktion kaum hinterher, weil Chips oder Stahl knapp und teuer sind. Das Beispiel Thyssenkrupp zeigt Licht und Schatten dieser Lage.

Von Benedikt Müller-Arnold, Düsseldorf

Eine einzelne Firma kann zwar nie die ganze Industrie repräsentieren. Aber das, was einem großen Unternehmen widerfährt, kann viel über das große Ganze verraten. So meldet Thyssenkrupp nun Zahlen für das Schlussquartal 2021, die wie zwei Seiten einer Medaille wirken.

Zwar verdient Deutschlands größter Stahlhersteller mehr Geld in seinen Stahlwerken und dem Werkstoffhandel, da die Stahlpreise deutlich gestiegen sind. Doch andererseits spürt Thyssenkrupp in der Weiterverarbeitung zu Auto- oder Windradteilen genau jene höheren Materialpreise schmerzlich. Und die Autoindustrie braucht - als größte Kundengruppe von Thyssenkrupp - seit Monaten weniger Komponenten und Bleche, da Halbleiter für Neufahrzeuge weltweit knapp sind.

Willkommen in der Mangelwirtschaft, möchte man fast sagen. So berichtet das Ifo-Institut, dass die Industrie in Deutschland dermaßen viele Aufträge auf Halde hat, dass die Firmen im Schnitt viereinhalb Monate lang durchproduzieren können. "Das gab es noch nie, seit wir diese Frage im Jahr 1969 zum ersten Mal gestellt haben", sagt Ifo-Forscher Timo Wollmershäuser.

Viele Unternehmen konnten Aufträge vergangener Monate schlicht nicht abarbeiten, weil ihnen wichtige Vorprodukte fehlen, so das Münchner Institut. Besonders lang seien die Auftragslisten in der Autoindustrie und Maschinenbau-Branche.

Thyssenkrupp deckt sich zu hohen Preisen mit Vorräten ein, die Börse sieht das skeptisch

Der Mangel etwa an Computerchips ist während der Corona-Krise entstanden, als die Nachfrage nach Elektronik, Autos oder Haushaltsgeräten rasch stieg - doch hatte die Chip-Industrie zuvor Produktionskapazitäten zurückgefahren und kann nicht schnell neue Fabriken aufbauen. Die Pandemie legte auch andere Branchen zeitweise lahm und unterbrach internationale Handelsrouten - etwa, wenn Häfen schließen mussten.

Firmen wie Thyssenkrupp kaufen nun zu hohen Preisen Vorprodukte ein - in der Hoffnung auf profitable Geschäftsabschlüsse in der Zukunft. "Damit haben wir uns auf eine stärkere Nachfrage in den Folgequartalen vorbereitet", sagt Finanzvorstand Klaus Keysberg. An der Börse kommt dieser Geldabfluss zunächst nicht gut an, dort verlor Thyssenkrupp am Donnerstag zeitweise drei Prozent an Wert. Doch insgesamt erwarten die Essener steigende Gewinne in diesem Geschäftsjahr, das bei ihnen stets im September beginnt.

Für die Zukunft erwägt der Konzern, seine besonders krisenanfälligen Stahlwerke mit 26 000 Beschäftigten an Rhein und Ruhr in ein eigenständiges Unternehmen auszugliedern. Thyssenkrupp selbst würde sich dann auf den Werkstoffhandel und Komponenten konzentrieren. Doch auch im Frühjahr werde man das noch nicht entscheiden können, sagt Keysberg. "Wir nehmen uns die Zeit, die dafür notwendig ist."

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