Süddeutsche Zeitung

Internet-Zensur:Facebook will über die chinesische Mauer

Lesezeit: 2 min

Von Christoph Giesen, Peking, und Helmut Martin-Jung

Seit Jahren schon antichambriert Facebook-Gründer Mark Zuckerberg bei der Führung in Peking. Er lobt das jüngste Buch von Parteichef Xi Jinping und joggt öffentlichkeitswirksam durch den Pekinger Smog. Auf Veranstaltungen in der Volksrepublik führt er gerne sein passables Chinesisch vor. Das Ziel: Der größte Internetmarkt der Welt, komme, was da wolle. Nun berichtet die New York Times, dass Facebook an einem Zensurwerkzeug arbeitet, das es dem Unternehmen oder einem möglichen chinesischen Partner erlauben würde, Nachrichten zu unterdrücken, die der Staatsführung nicht genehm sind.

Die Zensursoftware kommt derzeit noch nicht zum Einsatz. Wie sie genau funktioniert, etwa mit Listen unerwünschter Begriffe oder als Cockpit für menschliche Zensoren, ist unklar. Ziel ist es aber nach Information der Times, Nachrichten nach geografischen Gesichtspunkten zu unterdrücken. Ein kritischer Artikel etwa über das Verhältnis der chinesischen Staatsmacht zur Falun-Gong-Bewegung würde dann nicht im Nachrichtenstrom von Nutzern in China auftauchen. Von wo aus ein Nutzer ins Internet geht, lässt sich mit einiger Genauigkeit anhand der Internet-Adresse feststellen.

In der Volksrepublik ist eine digitale Parallelwelt entstanden

Knapp 1,8 Milliarden monatlich aktive Nutzer hat das soziale Netzwerk Facebook bereits, und bisher ging es stets nur aufwärts mit den Zahlen. Doch das funktioniert nicht auf ewig, weshalb das Unternehmen gerne das Potenzial heben würde, das in dem Land mit derzeit bereits 700 Millionen Internetnutzern zu holen wäre. Doch selbst wenn Facebook die Lizenz für den chinesischen Markt zurückerhalten sollte, wäre es nicht einfach, sich zu etablieren. Denn der Zugang zu Facebook ist in der Volksrepublik gesperrt, genauso wie übrigens auch der zu Twitter.

2009 war es in Urumqi in der muslimisch geprägten Provinz Xinjiang zu Ausschreitungen zwischen Uiguren und Han-Chinesen gekommen, bei denen nach offiziellen Angaben 197 Menschen starben. Damals schaltete die Regierung in Xinjiang das Internet in der Region ab, im Rest des Landes wurden sämtliche sozialen Netzwerke blockiert. Dieser Bann hält bis heute an.

Wer auf Facebook zugreifen möchte, muss die Internetverbindung über ein sogenanntes VPN lenken. Damit wird mit Hilfe von Verschlüsselung eine Art Tunnel zu einem Server im Ausland aufgebaut. Und erst von dort aus findet dann der Zugriff auf Facebook statt. Auch die Daten, die zurückfließen, sind wieder verschlüsselt.

Gegen Weibo und Wechat würde Facebook es schwer haben

Die Folge der Abstinenz: In China ist eine digitale Parallelwelt entstanden. Anstatt bei Facebook und Twitter posten Chinesen bei Weibo. Gegründet wurde Weibo im August 2009, nur wenige Wochen nach den Unruhen. Der Vorteil für die chinesischen Behörden: Die Server stehen in der Volksrepublik, die Zensoren können jederzeit eingreifen und missliebige Inhalte löschen. Dennoch gab es für zwei, drei Jahre eine relative Freiheit auf Weibo. Millionen Chinesen posteten, was sie dachten. Die schiere Masse an Kommentaren überforderte die Internetpolizei, sie kam mit dem Löschen schlicht nicht mehr hinterher.

Um wieder Herr der Lage zu werden, führte die Regierung 2012 die Regel ein, dass jeder Autor eines Beitrags, der mehr als 5000 Leser hat, haftbar gemacht werden kann, sollte es sich dabei um ein Gerücht handeln.

Es kam sogar noch eine neue App auf den Markt, die Weibo inzwischen den Rang abgelaufen hat: Wechat. 680 Millionen Chinesen nutzen sie. Im Gegenzug zu Weibo können Kommentare nur mit den eigenen Freunden geteilt werden und sind nicht mehr für alle Nutzer einsehbar. Lernen sich zwei Chinesen heute kennen, fragen sie sich oft nicht mehr nach ihren Telefonnummern, sondern tauschen ihre Wechat-Daten aus. Via Wechat können Nutzer zum Beispiel Bahnfahrkarten bestellen oder komfortabel die Nudelsuppe im Restaurant bezahlen, indem sie einen QR-Code scannen. Für Facebook eine Konkurrenz, gegen die sie es sehr schwer haben würden.

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Quelle:
SZ vom 24.11.2016
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