Süddeutsche Zeitung

Basketballspielerin Brittney Griner:Gefangen zwischen den Fronten

Lesezeit: 4 min

Die US-Basketballspielerin Brittney Griner wird in Moskau festgehalten, weil in ihrem Gepäck offenbar Haschisch-Öl gefunden wurde - bis zu zehn Jahre Haft drohen. Der Fall ist zu einem Politikum zwischen Russland und den USA geworden.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Es hätten Festtage werden sollen für den amerikanischen Basketball: Im Uni-Sport fanden am vergangenen Wochenende die Finalspiele des als March Madness bekannten Turniers statt, an dem immer die ganze Nation Anteil nimmt; bei den Frauen gewann South Carolina, bei den Männern die Kansas University. In der Profiliga NBA ging es in 27 Partien über drei Tage um Playoff-Plätze. Und das Nationalteam der Frauen traf sich in Minneapolis zum ersten Trainingslager für die WM im Herbst in Australien. Doch es wurde dann ein Fest mit besorgten, vor allem aber höchst verunsicherten Gästen, weil über den Köpfen diese eine Frage schwebte: Was passiert nun mit Brittney Griner?

Zur Erinnerung: Griner ist eine berühmte amerikanische Basketballspielerin. Während der Winterpause der US-Frauen-Profiliga WNBA spielte sie zuletzt immer beim russischen Verein UMMC Jekaterinburg. Doch am 17. Februar war sie am Scheremetjewo-Flughafen von Moskau verhaftet worden, Beamte hatten in ihrem Gepäck offenbar Kartuschen mit Haschisch-Öl gefunden. Die Untersuchungshaft wurde inzwischen bis zum 19. Mai verlängert, dann soll bei einer Anhörung über das weitere Vorgehen entschieden werden. Bei einer Verurteilung drohen Brittney Griner bis zu zehn Jahre Haft.

Es ist ein Fall, der in den USA möglichst nicht zu politisch diskutiert werden soll - weil er es längst ist.

"Uns ist gesagt worden, dass wir keine große Sache draus machen sollen."

"Uns ist gesagt worden, dass wir keine große Sache draus machen sollen, damit Griner nicht als Figur auf dem politischen Schachbrett missbraucht wird", sagte die Basketball-Legende Lisa Leslie kürzlich im Podcast I Am Athlete. Russland führt einen Angriffskrieg in der Ukraine, und das Land missbraucht bei der Rechtfertigung dieses Krieges so ziemlich jedes Thema als Hinweis, wie sich westliche Länder angeblich in die Belange Russlands einmischen. Wer den US-Basketballverband kontaktiert oder Spielerinnen des Nationalteams befragt - Griner hat zwei olympische Goldmedaillen gewonnen und wurde zwei Mal Weltmeisterin -, hört noch vorsichtigere Worte als die von Leslie.

Es heißt nun in den USA sogar, womöglich sei es gar nicht mal so schlecht gewesen, dass der Schauspieler Will Smith Mitte März mit seiner Ohrfeige auf offener Bühne einen Skandal bei der Oscar-Verleihung lieferte. Das passierte wenige Sekunden bevor der Regisseur Ben Proudfoot den Award für seinen Kurzfilm "Queen of Basketball" bekam und an US-Präsident Joe Biden appellierte: "Bringen Sie Brittney Griner heim!" Der Appell ging in der Aufregung unter, was der Inhaftierten aber nicht unbedingt schaden muss. Auch Griners Eltern sagen derzeit bewusst nichts in der Öffentlichkeit, und Brittneys Ehefrau Cherelle Watson sagt nur: "Es tut weh. Wir können es nicht erwarten, sie wieder als Familie lieben zu können." Aus dem Weißen Haus und vom US-Verteidigungsministerium: keine konkreten Aussagen.

Eine der Sorgen: Auch Griners sexuelle Orientierung könne bei einer Gerichtsverhandlung eine Rolle spielen

Die Beziehungen zwischen Russland und den USA sind logischerweise angespannt wie lange nicht. Das macht den Fall zum Politikum, selbst bei Kleinigkeiten. Es könnte Brittney Griner schaden, wenn sie als politische Gefangene gilt.

Die staatlich kontrollierte russische Nachrichtenagentur Tass meldete zuletzt, dass es Griner gut gehe und dass sie ein Buch von Fjodor Dostojewski ausgeliehen habe. Beamte der US-Botschaft in Moskau würden Griner nicht besuchen, obwohl russische Behörden das möglich machen würden. Die Lesart: Eine Amerikanerin verstößt gegen russische Gesetze, wird verhaftet und adäquat behandelt - doch in den USA wird das zum Skandal gemacht, obwohl sie nicht mal jemand besucht.

Ein Sprecher des US-Verteidigungsministeriums sagte nun indes, dass ein Besuch trotz mehrerer Versuche seit dem 23. März nicht mehr möglich gewesen sei; damals bestätigte ein Diplomat nach einem Besuch, dass es Griner den Umständen entsprechend gut gehe. Man sei allerdings in Kontakt mit Griners russischen Anwälten. "Es ist ungewöhnlich und bedenklich, dass wir trotz mehrerer Anfragen keinen Zugang haben", sagt der demokratische Abgeordnete im Repräsentantenhaus Colin Allred. Die Furcht: An Griner könne wegen der Spannungen ein Exempel statuiert werden, und auch ihre sexuelle Orientierung könne bei einer Gerichtsverhandlung eine Rolle spielen. Griner ist homosexuell, sie unterstützt seit mehreren Jahren andere Sportlerinnen und Sportler beim Coming-out.

Der Fall löst nun auch eine Debatte über die Bezahlung in der WNBA aus

Nachrangig, aber doch vernehmbar ist ihr Fall nun aber auch der Anlass für eine weitere Debatte in den USA: jene über die Bezahlung im Frauensport. Griner ist 31 Jahre alt, sie wurde bei der Talentbörse 2013 von Phoenix Mercury gewählt und spielt noch immer dort. Meistertitel 2014, beste Punktesammlerin 2017 und 2019, sieben All-Star-Nominierungen. Griner ist ein Star, ihr Jahresgehalt in der WNBA: 227 900 Dollar. Zum Vergleich: Das Mindestgehalt in der Männerliga NBA beträgt 925 000 Dollar.

In der WNBA-Pause spielte Griner seit 2014 für Jekaterinburg, davor war sie ein Jahr lang beim chinesischen Verein Zhejiang Golden Bulls aktiv. In Russland wurde sie drei Mal Meisterin und gewann mit ihrem Klub vier Mal die Euroleague. Vor allem aber verdient sie dort eine Million Dollar pro Spielzeit.

Frage ans US-Basketball, das sich gerne selbst rühmt dafür, an den Universitäten die besten Talente der Welt auszubilden: Warum sind die Strukturen und Aussichten für Frauen so, dass sie in Ländern wie Russland und China so viel mehr verdienen - oder, wie die Deutsche Satou Sabally, auch bei Fenerbahce Istanbul in der Türkei? "Es ist beschämend, dass Leistungen von Leuten wie Griner in Nationen, die wir als unterdrückt ansehen, höher bewertet werden als von Teams in den USA", schreibt die Autorin Jemele Hill. Russland wäre für die besten US-Spielerinnen gar nicht verlockend, wenn sie daheim besser bezahlt und respektiert würden.

Doch zunächst einmal geht es um Griners Freiheit. "Wir reden jeden Tag über sie, es bricht einem das Herz", sagte die Nationalspielerin Kelsey Plum am Rande des Trainingslagers, mehr sagt sie wie alle anderen nicht. Die neue WNBA-Saison soll am 6. Mai beginnen, zwei Wochen vor der nächsten geplanten Anhörung von Griner in Moskau.

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