Süddeutsche Zeitung

Super League:Großangriff des gescheiterten Zirkels

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Die verbliebenen Super-League-Klubs aus Madrid, Barcelona und Turin wollen vor dem Europäischen Gerichtshof die Monopolstellung der Uefa kippen. Warum ihnen das nicht gelingen darf - und wohl auch nicht gelingen wird.

Kommentar von Thomas Kistner

In Luxemburg ging es am Montag und Dienstag zu wie auf dem Basar: Dutzende EU-Vertreter, Handelsjuristen, Lobbyisten und Fußballemissäre tummelten sich vor der Großen Kammer des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), der ein Großaufgebot von 15 Richtern eingesetzt hat. Es geht ja um einiges, für manchen um Existenzielles: Die Anwälte der Super League, eines im Vorjahr gescheiterten Zirkels aus europäischen Eliteklubs, beklagen die "eiserne Faust" der Europa-Union Uefa - und wollen deren Monopolstellung im europäischen Fußball brechen.

Zwang! Faustrecht! Monopole! Das klingt ja zunächst tatsächlich nach einer Bedrohung: Braucht es so etwas in rechtsstaatlichen Gefilden, zumal im grenzenlosen Teil Europas? Allerdings dreht sich das Unbehagen beim Betrachter schnell um, wenn der Blick auf die Klagepartei fällt: Den Großangriff auf die Uefa führen just die verbliebenen drei Mohikaner jenes berüchtigten Superliga-Projekts, das im April 2021 aus einem nächtlichen Hinterhalt gestartet, vom Motiv der porentiefen Raffgier getragen und binnen 72 Stunden durch eine europaweite Spontan-Allianz aus Politik, Sport und Gesellschaft zerschmettert wurde.

Das klageführende Trio hält die damals heimlich gegründete European-Superleague-Gesellschaft (ESC) noch am Leben: Real Madrid unter dem schillernden Baulöwen Florentino Pérez; der FC Barcelona, inzwischen mutiert zum finanzwirtschaftlichen Geisterfahrer; sowie Juventus Turin, dessen Boss Andrea Agnelli sogar privat viel Ärger bekam, weil er seinen einst engen Freund Aleksander Čeferin, den Präsidenten der Uefa, noch Stunden vor dem Coup in Sicherheit gewogen hatte.

Sechs Klubs aus England, zwei aus Italien und ein spanischer waren gleich wieder ausgestiegen und akzeptierten harsche Strafen. Nur die drei Putschisten blieben stur. Aber klar doch: Ihnen geht es nicht um das Geld, das ihre Superliga mit (überwiegend) exklusiv gesetzten Renommierklubs aus dem Fußball saugen will. Real, Juve und Barça treibt die Sorge vor Gericht, dass die Uefa das Kartellrecht unterlaufe. So hat es ein Handelsrichter aus Perez' Stammsitz Madrid vor den EuGH getragen. Ein Richter übrigens, aus dessen Aktivitäten sich eine gewisse Nähe zum Projekt ableiten ließ.

Gleichwohl: Der EuGH ist jetzt am Zug, und vor Gericht und auf hoher See ist bekanntlich nichts gewiss. Zumal, wenn ganz Europa mitredet und die Hütchenspieler-Branche Profifußball beteiligt ist.

Urteilen wird der EuGH wohl erst 2023. Dann hofft die Uefa, dass ihr Modell gestärkt aus dem Prozess hervorgeht

Am ersten Verhandlungstag legten die Superligisten vor: Die Uefa missbrauche ihre marktbeherrschende Stellung, indem sie Europas Fußball reguliert, die kontinentalen Wettbewerbe organisiert und jeden Klub, jede Initiative hart sanktioniert, die mit ihrer Champions League konkurrieren will, so die Klage. Das verstoße gegen EU-Recht.

Die Uefa wiederum verteidigt ihr Geschäftsmodell in der Anhörung - gestützt durch Eingaben aus vielen EU-Ländern - als das bestmögliche Sportmodell: weil alles auf offenen Wettbewerben basiere, und weil eine Umverteilung der Einnahmen an den Amateursport gewährleistet ist.

Dieser Aspekt hebelt ein Kernargument der Kläger aus. Die verweisen auf eine formal ähnlich gelagerte Kartellfrage rund um die Internationale Eislauf-Union (ISU), die in Luxemburg gerade parallel verhandelt wird. Geklagt und erstinstanzlich recht bekommen hatten hier einige Eisschnellläufer, denen ihr Weltverband die Mitwirkung an einem Privat-Event untersagt hatte. Das betrachten die Superligisten als Musterfall.

Nur ist es, abseits der Paragrafen-Huberei, ja so, dass ein bedeutender Teil Europas Fußball spielt, allein der DFB vertritt sieben Millionen Mitglieder. Damit verglichen siedelt die Eislaufgemeinde (wie viel andere) in einer winzigen Nische. Und nackte Kartellfragen greifen überall dort zu kurz, wo es neben dem Geschäft auch ums große Ganze geht, um Erziehungs- und andere Werte-Fragen. Um Themen der europäischen Gemeinschaft.

Der Werte-Aspekt ist Kern der Uefa-Argumentation. Dass hingegen Perez' ausgebuffte Profi-Riege mit Hasardeuren wie dem FC Barcelona, der für seine aktuelle Shoppingtour gerade künftige Einnahmen verpfändet hat, den Reibach aus ihrem fast geschlossenen Elite-Zirkel besser und gerechter umverteilen würden, dass sie das überhaupt wollten - das glauben nicht mal Sportromantiker. Und so hat die Uefa viel Rückenwind in Luxemburg: den Präsidenten des Europarates, plus eine enge Kooperation mit dem Europaparlament.

Urteilen wird der EuGH wohl erst 2023. Dann hofft die Uefa, dass ihr Modell sogar gestärkt aus dem Prozess hervorgeht. Andernfalls könnten das Geschäft mit dem Fußball künftig kastilische Baulöwen, katalanische Glücksritter und piemontesische Familienclans kapern. Und eine Investoren-Armada aus der Golfregion.

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