Süddeutsche Zeitung

Türkgücü München:Die Untermieter

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Kloster- statt Olympiastadion: Türkgücü will nach der Insolvenz in der Regionalliga antreten - und mit Hilfe aus Fürstenfeldbruck könnte das auch gelingen. Ein grundsätzliches Problem des Klubs bleibt aber ungelöst.

Von Christoph Leischwitz

Eigentlich hat Türkgücü München am Dienstag genau das erreicht, was der Verein wollte, und was noch vor wenigen Monaten kaum jemand für möglich gehalten hatte: Der Bayerische Fußball-Verband (BFV) erteilte dem Drittliga-Ausscheider die Erlaubnis, in der kommenden Saison in der viertklassigen Regionalliga zu spielen. Ein paar kleine Auflagen gibt es noch zu erfüllen, bis Ende Juni. Diese Auflagen sind im Normalfall kaum mehr als eine Formalität und ein bisschen Handwerksarbeit. Doch für Türkgücü beginnen damit die Probleme gleich wieder, alte Probleme, die den Verein aus dem Osten Münchens immer wieder einholen.

Ende Januar hatte die vor dem Profiklub stehende GmbH einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt. Weil sich herausstellte, dass Türkgücü die Saison trotz staatlicher Beihilfe nicht zu Ende finanzieren konnte, wurde zum ersten Mal in der Geschichte des deutschen Profifußballs ein Verein im laufenden Wettbewerb aus der Wertung genommen. Nun wird bis Ende Juni eine Gläubigerliste erstellt, der Umfang der anlaufenden Schulden wird dann öffentlich, das Verfahren dürfte sich über Jahre hinziehen. Hauptamtliche Mitarbeiter wie Geschäftsführer Max Kothny gibt es nicht mehr. Der 25-Jährige hatte lange versucht, einen neuen Investor zu finden, um den mittlerweile zurückgetretenen Präsidenten Hasan Kivran zu entlasten oder auch abzulösen. Eine Investorengruppe, die Pacific Media Group, entschied sich mittlerweile für den 1. FC Kaiserslautern. Kothny arbeitet jetzt aber trotzdem für sie: Als Manager des französischen Zweitligisten AS Nancy.

Der neue Präsident Taskin Akkay traut sich zu, eine Regionalliga-Saison finanziert zu bekommen

In der Zwischenzeit wurde jedoch beim Türkgücü-e.V. intensiv daran gearbeitet, den Absturz in die Niederungen des Amateurfußballs zu verhindern. Der neue Präsident heißt Taskin Akkay, der einem Vorgänger-Klub von Türkgücü, Ataspor, seit jeher verbunden war, in den 1980er Jahren aber auch eine Weile für 1860 München gespielt hat. Akkay traut sich zu, eine Regionalliga-Saison finanziert zu bekommen. Der einzig Verbliebene aus dem sportlichen Bereich, Alper Kayabunar, wird neuer Cheftrainer und zugleich mit der Aufgabe betraut, einen konkurrenzfähigen Kader zusammenzustellen. "Wir sind ehrlich gesagt schon ziemlich weit", sagt Kayabunar dazu.

Doch mit der Entscheidung, in der vierten Liga weiterzumachen, bleiben viele Probleme ungelöst. Die Regionalliga-Statuten erlauben keine Spiele auf der Bezirkssportanlage, und Türkgücü fand in der näheren Umgebung keinen Verein, der sein Stadion zur Verfügung stellt. Im Gegenteil: Einige Regionalligisten, wie zum Beispiel die SpVgg Unterhaching, sprachen sich auch öffentlich dagegen aus, dass der einstige Investorenklub, der nur Schulden und Ärger hinterließ, die Viertliga-Lizenz erhält.

Dann aber meldete sich der rund 40 Kilometer entfernte SC Fürstenfeldbruck, dessen Mannschaft den Absturz in besagte Niederungen nicht verhindern konnte, der einstige Bayernligist ist lediglich in der Kreisliga vertreten. Der Verein zeigte sich gastfreundlich, und Türkgücü erklärte sich bereit, den Großteil der Kosten für anstehende Umbauten zu übernehmen. Von der Stadt München erhielt Türkgücü außerdem die Zusage, bis zu zwölf der insgesamt voraussichtlich 19 Heimspiele im Grünwalder Stadion austragen zu können. Schriftlich fixiert ist das allerdings noch nicht.

Dass der Präsident des SCF und der Bürgermeister spinnefeind sind, wussten sie bei Türkgücü nicht

Ende vergangener Woche dann ein Schockmoment für Türkgücü: Die Stadt Fürstenfeldbruck meldete sich zu Wort, als Stadion-Eigentümer. Sinngemäß lautete die Ansage: Bitte mal nicht so schnell, wir würden gerne auch noch gefragt werden. "Ich sehe ein zeitliches Problem", sagt Oberbürgermeister Erich Raff (CSU) auf SZ-Nachfrage. Es gelte noch viele Fragen zu klären, zum Thema bauliche Maßnahmen etwa oder auch zum Thema Brandschutz. Bis hin zu den kleinen Problemen, wie etwa, dass einerseits eine Fantrennung durch Zäune und den so genannten Gästekäfig stattfinden soll, andererseits im Stadion aber nur eine einzige Toilettenanlage zur Verfügung stehe.

Raff macht klar, dass er keine grundsätzlichen Probleme sieht, aber er hat offensichtlich auch nicht die Absicht, die zuständigen Behörden unter Zeitdruck arbeiten zu lassen. Türkgücü hatte sich nie direkt bei der Stadt gemeldet, sondern alle Gespräche über den SCF abgewickelt. Dass der Präsident des SCF, Jakob Ettner, und der Bürgermeister spinnefeind sind, wussten sie bei Türkgücü nicht.

Nach den Meldungen der vergangenen Woche nahm Türkgücü sehr schnell Kontakt zur Stadt auf, und auf Nachfrage bestätigte Präsident Akkay, dass man bereits "in sehr guten Gesprächen" sei. Damit scheint die Saison nun wirklich fast gesichert zu sein, aber die Stadion-Aufteilung schiebt eine Lösung des eigentlichen Problems nur wieder auf: Türkgücü spielt dann eine Liga tiefer und hat das Münchner Olympiastadion gegen das Klosterstadion getauscht, eine feste sportliche Heimat fehlt dann aber immer noch. So sagt sogar der Fürstenfeldbrucker Oberbürgermeister Raff, es sei ein "Armutszeugnis für die Stadt München", dass man Türkgücü kein Stadion uneingeschränkt zur Verfügung stellen könne. Im Verein beschwören sie die integrative Kraft des Klubs, vor allem für Jugendliche. Trainer Kayabunar sieht sich aber auch schlicht im Pech: "Das Problem würde jeden Verein in München treffen, der in die Regionalliga aufsteigt."

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