Süddeutsche Zeitung

Bundesliga:Entfesselter Trainer-Transfermarkt

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Coaches wechseln in der Liga mittlerweile fast so rege wie Fußballer. Das zeigt die große Bedeutung der Fußballlehrer - und ist gleichzeitig ein Argument dafür, ihren Einfluss nicht zu groß werden zu lassen.

Kommentar von Sebastian Fischer

Der Bundesliga-Tabelle zufolge wäre Union Berlin das nächste Opfer, und tatsächlich muss man nach dem entsprechenden Gerücht gar nicht lange suchen. Urs Fischer, der den Klub in die erste Liga und in dieser Saison bislang auf Rang acht geführt hat, stehe "auf der Liste" möglicher neuer Trainer von Eintracht Frankfurt, schrieb am Mittwoch die Sport-Bild. Vielleicht sind es also nun passenderweise der betont unaufgeregte Schweizer und seine betont traditionsbewussten Vorgesetzten an der Alten Försterei in Köpenick, die den Ruf einer gerade sehr aufgeregten Branche retten - wenn bei ihnen nicht der nächste Stein im Trainer-Domino fällt.

Dass der Transfermarkt für Fußballlehrer gerade jenem entfesselten für Fußballspieler gleicht, das ist in dieser Bundesligasaison schon fast eine alte These. Sie wurde bereits aufgestellt, als vor zwei Wochen in Frankfurts Adi Hütter (für 7,5 Millionen Euro zu Borussia Mönchengladbach) nach Marco Rose (für 5 Millionen von Gladbach nach Dortmund) der zweite Erstliga-Coach binnen kurzer Zeit von einer Ausstiegsklausel Gebrauch machte, um seinen Verein vor Vertragsende zu verlassen.

Inzwischen ergibt sich an der Liga-Spitze ein nie dagewesenes Bild: Die besten sieben Klubs werden in der kommenden Spielzeit womöglich einen anderen Trainer beschäftigen als den aktuellen. Seit der Wechsel von Julian Nagelsmann von RB Leipzig zum FC Bayern fix ist, steht dies für fünf Mannschaften fest. Beim VfL Wolfsburg ist es wahrscheinlich. Und Leverkusens Trainer Hannes Wolf ist offiziell nur die Interimslösung bis Saisonende.

Nun sind solche Wechsel samt teuren Ablösezahlungen, in der Spitze die Rekordsumme von 15 bis 25 Millionen Euro für Nagelsmann, einerseits Ausweis der gestiegenen Bedeutung von Trainern. Sie bestimmen oft, welche Art von Fußball ein Verein spielt; sie bestimmen immer, ob dieser Fußball Erfolg hat. Und im Misserfolgsfall sind sie die Ersten, die ihren Job verlieren. Es ist demnach nur logisch, dass sie ihren Wert auch geltend machen - und genau wie Spieler ihren eigenen Karriereweg planen.

Andererseits schwächen sie ihre Position damit ironischerweise selbst wieder. Nicht nur beim FC Bayern, wo sich Hansi Flick mit Hasan Salihamidzic zerstritt, sondern auch in Wolfsburg, wo Oliver Glasner und Sportchef Jörg Schmadtke nicht gerade harmonisch zusammenarbeiten, geht es bei den Konflikten auch um den Willen der Trainer, Einfluss auf die Gestaltung des Kaders zu nehmen. Es gibt gute Argumente dafür, siehe oben. Wenn Trainer aber gar nicht mehr für Kontinuität stehen wollen, sondern im Zweifel schon wieder weg sein könnten, wenn ihre Wünsche umgesetzt sind, ist das ein ziemlich gutes Gegenargument.

Immerhin: Dass Urs Fischer Union Berlin wirklich im Sommer verlässt, ist schwer vorstellbar. Und spätestens auf Rang neun wird das Trainer-Domino dann wirklich unterbrochen. Christian Streich, in seiner zehnten Saison Cheftrainer beim SC Freiburg, hat seinen Vertrag erst kürzlich verlängert. In seinem Fall dürfte das tatsächlich bedeuten, dass er bleibt.

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