Süddeutsche Zeitung

Australian Open:Die Krux mit dem Netflix-Fluch

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Mit riesigem Bohei wurde die neue Dokumentation "Break Point" über zehn Tennisprofis vorgestellt. Nun laufen die Australian Open in Melbourne - und neun der Protagonisten sind bereits ausgeschieden.

Von Gerald Kleffmann, Melbourne

Der kanadische Tennisprofi Felix Auger-Aliassime ist einer der besten Spieler der Welt. Natürlich muss einer wie er, derzeit Siebter der Weltrangliste und bei den Australian Open im Einsatz, regelmäßig zur Pressekonferenz. Am Freitag hatte Auger-Aliassime mal wieder gewonnen, mit einem 6:1, 3:6, 6:1, 6:4-Sieg gegen den Francisco Cerúndolo erreichte der 22-Jährige aus Montreal die dritte Runde. Anschließend wurde er gefragt, wie er mental in dieses Grand-Slam-Turnier gehe, ob er etwa daran denke, dass er im Vorjahr im Viertelfinale stand. Und er sollte erklären, wie das Ende 2022 war, als er den Davis Cup gewann. Mittendrin meldete sich dann ein Reporter und entschuldigte sich schon mal für ein "albernes Thema". Er wollte wissen, ob in den Umkleiden viel über den "Netflix-Fluch" geredet werde.

Diverse Profis, die in einer neuen Dokumentation des Streamingdienstes führende Rollen einnehmen, scheiterten ja in dieser Woche sportlich bei der bedeutsamen Tennisveranstaltung in Melbourne. Von zehn Hauptakteuren ist nur noch Auger-Aliassime übrig.

Das halbe Internet war am Samstag voll mit süffisanten Kommentaren zur "Erfolgsquote" der Break-Point-Protagonisten, so heißt die Serie, von der die ersten fünf Teile ins Netz gestellt wurden, die zweiten kommen später dieses Jahr. "Meine Freundin zeigte mir das heute", erzählte Auger-Aliassime, "ich dachte, das ist ganz lustig." Er bezog sich auf eine Fotocollage mit zehn Köpfen, von denen neun mit einem Kreux über dem Gesicht versehen waren. Nur bei ihm war keines. Er ist ja noch im Wettbewerb. "Vielleicht haben die Spieler, die verloren haben, das Gefühl, dass es einen Zusammenhang gibt. Ich glaube das aber nicht." Amüsiert resümierte Auger-Aliassime: "Lustig, wie die Dinge sich manchmal entwickeln."

Die Tennis-Serie soll an den Erfolg der Formel-1-Doku "Drive to Survive" anknüpfen

"Break Point" war vor den Australian Open offiziell mit einer Feier vorgestellt worden. Nach der Formel-1-Serie "Drive to Survive", die vor allem in den USA zu einem riesigen Erfolg wurde, wurde auch eine Tennis-Staffel aufgezogen. Eine Saison lang waren ausgewählte Spielerinnen und Spieler, mit denen Netflix explizit Verträge abschloss, von Kameras und Mikrofonen begleitet worden. Die Profis werden hinter den Kulissen gezeigt, in Hotels, in privaten Situationen. Der Werbeaufwand war ebenfalls gewaltig, und in Melbourne sprachen zum Turnierstart fast alle Beteiligten über ihre Teilnahme an dem Projekt, der einhellige Tenor war: Ist eine tolle Serie! Man hat sich also selbst gefeiert, doch sportlich lief es dann, warum auch immer, nicht gut für die Besetzungen.

Nick Kyrgios, der Exzentriker aus Canberra, verzichtete kurz vor dem Auftakt auf seine Teilnahme; er war verletzt. Der Spanierin Paula Badosa erging es ebenso. Matteo Berrettini, der schöne Römer, verlor dann in dramatischen fünf Sätzen gegen den schottischen Recken Andy Murray, der neun Jahre älter ist und eine künstliche Titanhüfte in seinem Körper hat. Taylor Fritz, der Sunnyboy aus den USA und ein bisschen ein Geheimfavorit, scheiterte überraschend an dem Australier Alexei Popyrin. Die Weltranglisten-Zweite Ons Jabeur aus Tunesien flog gegen die Tschechin Marketa Vondrousova raus. Niederlagen kassierten ebenfalls der Australier Thanasi Kokkinakis (gegen Murray), der Norweger Casper Ruud (gegen den Amerikaner Jenson Brooksby) und die Griechin Maria Sakkari (gegen die Chinesin Zhu Lin).

Netflix, das bereits an einer zweiten Staffel arbeiten soll, kommentierte diese Entwicklung mit Humor: "Der Netflix-Fluch ist nicht echt", stand in der Kopfleiste des britischen Accounts. Und voller Stolz verwies die Firma nun auf den Sieg von Auger-Aliassime und meinte dazu: "Wir haben es ja gesagt."

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