Süddeutsche Zeitung

Sanktionen gegen Russland:Der Gürtel ist jedenfalls weg

Lesezeit: 4 min

Fifa und IOC haben angekündigt, den russischen Sport konsequent vom internationalen Geschehen auszuschließen - doch nicht jeder Weltverband will dem wirklich folgen.

Von Javier Cáceres, Thomas Kistner und Volker Kreisl, München

Die Sanktionen gegen Russland waren das eine. Doch in den vergangenen Tagen leistete die Europäische Fußballunion Uefa auch konkrete Hilfe für Fußballer, die zuletzt in der Ukraine beschäftigt waren und nun, unter dem Eindruck des Krieges, das Land verlassen wollten - und konnten. Unter teilweise dramatischen Umständen. Und ohne jede Mithilfe des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) und des Weltfußballverbands Fifa, die angefragt wurde, wie an der Operation beteiligte Quellen der SZ berichten.

Bis Montag wurden 74 nicht-ukrainische Fußballprofis samt ihren Familien aus der von Russland angegriffenen Ukraine herausgeschleust. Mit Hilfe des ukrainischen Verbandes habe man Reisen in Bussen und Zügen organisiert und ihnen so die Ausreise nach Rumänien und Moldawien ermöglicht. Mitarbeiter der Verbände beider Länder nahmen die Flüchtenden in Empfang, waren ihnen bei der Weiterreise behilflich. Nur Stunden nachdem sie Momente der Angst erlebt hatten - etwa, wenn die Züge mitten in der Nacht von Panzern aufgehalten wurden.

Wohl weniger aufregend, aber auch relativ abrupt war der Abschied des Trainers Markus Gisdol von seinem Moskauer Klub, er gab nun seine Tätigkeit im russischen Fußball auf. Gisdol war beim Erstligisten Lokomotive Moskau seit dieser Saison unter Vertrag gestanden. In die andere Richtung reiste der deutsche Loko-Sportdirektor Tomas Zorn zusammen mit Kollege Lars Kornetka, sie fuhren in die russische Hauptstadt: "Die aktuelle Lage ist für uns alle extrem schwierig und herausfordernd." Man trage Verantwortung für die Spieler und das Personal: "Daher befinden wir uns aktuell auf dem Weg nach Moskau." Als deutscher Trainer ist zurzeit auch Sandro Schwarz beim Lokalrivalen Dynamo Moskau tätig.

Russische Schwimmer sind weiter dabei - dann halt ohne Flagge und Hymne

Ähnlich hektisch geht es im paralympischen und olympischen Sport zu. Für einen der letzten Dachverbände, die noch nicht über eine Suspendierung Russlands entschieden haben, drängt die Zeit: Am Freitag beginnen die Paralympics in Peking mit der Eröffnungsfeier, an diesem Mittwoch will das Internationale Paralympische Komitee (IPC) über einen Ausschluss entscheiden.

Unterdessen haben sich, nachdem das IOC nun auch auf einen strengen Kurs umgeschwenkt ist, zwei Trends entwickelt: Die einen Verbände setzen auch auf Symbolik, scheuen sich aber, wirklich auf Abstand zu gehen. Die anderen dagegen schließen russische Sportler und Veranstaltungen konsequent aus.

Nach der Aberkennung der Ehrenpräsidentschaft durch den Judo-Weltverband hat der russische Präsident derweil eine weitere Auszeichnung eines Sportverbandes verloren. Der Taekwondo-Weltverband etwa hat dem im Jahr 2013 offiziell geehrten Wladimir Putin nun einerseits den Schwarzen Gürtel wieder entzogen, andererseits aber sind russische Sportler - nur eben ohne Hymne und Flagge - weiterhin dabei. Auch russische Schwimmer dürfen bei allen Veranstaltungen als offiziell neutrale Teilnehmer ohne nationalen Bezug nach wie vor mitmachen; der Weltverband Fina erklärte, er beobachte die Lage. Zuvor hatte aber auch die Fina Putin einen Weltverbands-Orden aberkannt.

In manchen Sportarten könnte der Bann schmerzhaft sein - etwa im Eiskunstlauf

Zu einem konsequenten Bann russischer Teilnehmer haben sich allerdings vier Verbände jener Disziplinen durchgerungen, die in Russland viel beachtet werden. In allen vieren stehen bald Weltmeisterschaften an, nirgends jedoch dürfen Vertreter Russlands dabei sein. Schmerzhaft etwa könnte das für den Nationalsport Eiskunstlauf werden, in dem international nun auch russische Funktionäre, Preisrichter und andere Offizielle ausdrücklich ausgeschlossen wurden. Jene Mannschaft, die bei den Olympischen Spielen in Peking sechs von 15 möglichen Medaillen gewonnen hatte, ist nun bei der WM in Montpellier/Frankreich (21. bis 27. März) genauso gesperrt wie die russischen Eisschnellläufer bei der Mehrkampf-WM im Hamar/Norwegen am kommenden Wochenende und die Shorttracker bei den Weltmeisterschaften in Montreal (ab 18. März).

Für ihre WM (13. bis 29. Mai) ausgeschlossen wurden auch Russlands Eishockey-Cracks. Dagegen hat die nordamerikanische Eishockeyliga NHL zwar angekündigt, ihre Beziehungen zu russischen Geschäftspartnern auszusetzen, zudem russischsprachige Online-Auftritte zu stoppen und vom Projekt, Russland als NHL-Austragungsort nutzen, Abstand zu nehmen. Wie es aber mit den russischen NHL-Profis weitergehen soll, ist offen.

Der Leichtathletik-Weltverband hat sich als nächster großer Dachverband den Sanktionen angeschlossen. "Alle Athleten, Betreuer und Offiziellen aus Russland und Belarus werden mit sofortiger Wirkung von allen Veranstaltungen der Leichtathletik-Weltserie ausgeschlossen", hieß es in einer Mitteilung von World Athletics am Dienstag. Dazu gehören die Hallen-WM im März in Belgrad, die Freiluft-WM im Juli in Eugene/USA.

Der Weltranglistenerste Daniil Medwedew muss vorerst keinen Ausschluss auf der Tennis-Tour befürchten. Zwar werden die Tennis-Verbände von Russland und Belarus suspendiert, allerdings dürfen die Spieler weiter an den internationalen Turnieren teilnehmen. Das gaben die Männer-Organisation ATP, die Frauen-Organisation WTA und der Weltverband ITF am Dienstag bekannt. Demnach werden die beiden Länder von den Mannschaftswettbewerben ausgeschlossen. Auch internationale Turniere sollen nicht mehr in Russland und Belarus abgehalten werden. Die Spieler können weiter auf der Tour oder bei den Grand Slams antreten, werden aber nicht mehr unter russischer Flagge geführt. Der Russe Medwedew hat gerade erst Novak Djokovic an der Spitze der Weltrangliste abgelöst.

Dagegen hat sich der russische Oligarch und Präsident des Welt-Fechtverbands FIE, Alischer Usmanow, von seinen Aufgaben im Sport freiwillig zurückgezogen. Der 68-jährige ehemalige Anteilseigner beim englischen Fußball-Klub FC Arsenal nannte die Sanktionen im Zuge des russischen Angriffs auf die Ukraine in seinem Statement "unfair", er sprach von "falschen und diffamierenden Anschuldigungen", die seine Ehre, Würde und berufliche Reputation zerstörten. Der Oligarch und Leiter der Holding USM (u.a. Metall, Bergbau, Telekommunikation) werde gegen die Sanktionen juristisch vorgehen und bis dahin sein Amt als Fecht-Präsident ruhen lassen.

Konsequenter gehen da schon andere Weltverbände vor. Der europäische Handball-Verband EHF etwa hat Russland und Belarus suspendiert. Weder die Nationalteams noch Klubs aus beiden Ländern dürfen an europäischen Wettbewerben teilnehmen; in Russland geplante Veranstaltungen werden neu vergeben. Auch der Volleyball-Weltverband FIVB hat Russland die WM der Männer entzogen. Zudem gaben die FIVB und der europäische Verband CEV den Ausschluss russischer und belarussischer Nationalteams, Vereine und Offizieller in allen Wettbewerben bekannt.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5539328
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.