Süddeutsche Zeitung

Manchester City in England:Der erste deutsche Meister-Kapitän in der Premier League

Lesezeit: 4 min

Ilkay Gündogan war einer der stilprägenden Guardiola-Transfers bei ManCity und ist mit dem Titelgewinn nun der erfolgreichste Deutsche in der Historie des englischen Fußballs. Nur: Wie lange bleibt er dem Klub erhalten?

Von Sven Haist, Manchester

Die Meisterschaftsfotos des Premier-League-Dauerchampions Manchester City sehen fast immer gleich aus. Sowohl die Spieler als auch der Betreuerstab haben sich in den vergangenen Jahren nur unwesentlich verändert, der Trainer heißt seit 2016 Pep Guardiola. Auch das Siegerpodest, der Werbebogen im Hintergrund und das himmelblaue Konfetti sind nahezu gleich geblieben. Lediglich der in der Mitte stehende Spieler mit dem Pokal in der Hand wechselte vergleichsweise oft.

Bei den ersten beiden von nun fünf Ligatiteln in sechs Jahren stemmte Vincent Kompany die Trophäe als City-Spielführer in die Höhe. 2021 und 2022 war es Fernandinho. Und nun: Ilkay Gündogan. Was einen historischen Aspekt in sich birgt: Als erstem deutschen Fußballspieler gelang es Gündogan, als Captain einen englischen Verein zur Meisterschaft zu führen. Aus diesem Grund bedeute ihm der Ligatitel "noch mehr" als die vorherigen, sagte er. Den Pokal schien er bei der Siegerehrung gar nicht mehr hergeben zu wollen, er küsste ihn bereitwillig vor den Fotografen.

Mit seinem insgesamt zwölften Titel mit Manchester City ist Gündogan der mit Abstand erfolgreichste Deutsche in der Historie des Englandfußballs. Er ist in gewisser Weise das Pendant zu Landsmann Toni Kroos, der als DFB-Legionär in Spanien die meisten Pokale abgeräumt hat. Nur dass Gündogan der Henkelpott der Champions League in der Sammlung noch fehlt. Das könnte sich zum Saisonende ändern, wenn City das Finale gegen Inter Mailand in Istanbul bestreitet. Weil sich der Klub auch noch mit Manchester United im FA-Cup-Endspiel misst, steht ein Titel-Triple in Aussicht, das bisher einzig der Stadtrivale 1999 vollbracht hat.

Seit Gündogan Kapitän ist, hat er an Charisma gewonnen

Obwohl City in der Startelf auf neun Stammspieler verzichtet hatte, konnte der FC Chelsea am Sonntag im Ligaspiel dem 1:0-Siegtreffer durch Julián Álvarez aus der zwölften Minute wenig entgegensetzen. Die Fans verspotteten das Team als "teuerste Ehrengarde aller Zeiten", nachdem die Spieler wie üblich für den bereits feststehenden Meister vor dem Anpfiff Spalier gestanden hatten. Unter Neu-Eigentümer Todd Boehly haben die Londoner in dieser Saison beispiellose 600 Millionen Euro an Ablöse für neue Profis ausgegeben, ohne erkennbaren Erfolg.

Zwar kommt City allein in der Guardiola-Ära sogar auf ungefähr den doppelten Betrag. Allerdings wurde das Geld zielgerichteter investiert. Jedes Jahr verpflichtet Manchester mehrere Spitzenspieler - wie Torjäger Erling Haaland vor Beginn dieser Runde -, um den Leistungsdruck im Kader hochzuhalten.

Als einer der ersten und damit stilprägenden Guardiola-Transfers kam Ilkay Gündogan im Sommer 2016 auf ausdrücklichen Wunsch des Trainers nach Manchester - obwohl der Mittelfeldspieler zum Zeitpunkt des Wechsels eine ausgerenkte Kniescheibe auszukurieren hatte. Noch im selben Jahr zog sich Gündogan einen Kreuzbandriss zu, womit seine erste Saison auf der Insel praktisch vorüber war. Doch seit seiner Rückkehr ist er ein fester Bestandteil der Mannschaft, bestreitet pro Saison rund 50 Pflichtspiele. Oft hörte sich die Wertschätzung, die ihm Guardiola übermittelte, allerdings besser an, als sie sich auf dem Platz darstellte. In wichtigen Matches stand Gündogan nicht immer in der Startelf.

Trotz seiner Ballsicherheit verfügte der Nationalspieler lange nicht über die Zweikampfstärke eines Mittelfeldabräumers; er war nicht so torgefährlich wie Mitspieler Kevin De Bruyne; und vermeintlich auch nicht so geschickt und wendig wie Offensivallrounder Bernardo Silva. Dabei schien nicht nur die Öffentlichkeit, sondern auch Guardiola selbst lange Zeit zu unterschätzen, dass Gündogan als einziger City-Kaderspieler eigentlich all diese Fähigkeiten vereinte. Was wohl auch daran lag, dass sich der eher zurückhaltende Gündogan nie wirklich beklagte. Von Bert Trautmann über Jürgen Klinsmann bis Michael Ballack oder Per Mertesacker: Es gab einige Deutsche in der Premier League, die mehr im Mittelpunkt standen. Erfolgreicher war keiner.

Vielleicht sei es sein Geheimnis, immerzu "ruhig, geduldig und fokussiert" zu bleiben, auch wenn er nicht wie erhofft zum Einsatz komme, sagt Gündogan. Sein Auftreten brachte ihm stets viele Sympathien innerhalb der Mannschaft ein. Folgerichtig bestimmten ihn die Mitspieler vor dieser Saison zum Kapitän. Durch dieses Amt gewann er deutlich an Charisma und geriet noch mehr in den Blickpunkt.

Die Vertragsverlängerung steht aus - bisher haben sich beide Seiten nicht einigen können

Ilkay Gündogan hat auf verschiedenen Mittelfeldpositionen 301 Pflichtspiele für Manchester City bestritten, ihm gelangen dabei 58 Tore und 40 Vorlagen. Zuletzt traf er gegen Leeds und Everton in der Liga jeweils doppelt, darunter ein technisch so hochwertiger Treffer, dass dieser weltweit für Aufsehen sorgte: Im Rückwärtslaufen nahm Gündogan eine Flanke mit dem Oberschenkel an und spitzelte den Ball aus der Drehung ins Tor. Teamkollege Kyle Walker erinnerte das an "Zinédine Zidane in dessen besten Jahren". Nach immer wiederkehrenden Verletzungsproblemen hat Gündogan es geschafft, seinen Körper nachhaltig robuster und widerstandsfähiger zu machen. Als einziger Feldspieler neben Riyad Mahrez stand er in allen 57 Pflichtspielen dieser Saison im City-Kader.

Bloß: Wie lange bleibt er City noch erhalten? Gündogans Vertrag läuft zum Saisonende aus. Trotz monatelanger Verhandlungen haben sich beide Seiten bisher nicht auf eine Verlängerung einigen können. Dabei soll es weniger um das Gehalt als um die Laufzeit gehen. Der 32-Jährige verlangt wohl vorwiegend Planungssicherheit, die ihm City aufgrund seines Alters nicht unbedingt gewähren möchte. Nach Gündogans zuletzt starken Leistungen deutet sich an, dass der Klub bereit sein könnte, das eigene Angebot nachzubessern. Am Sonntag teilte Citys PR-Abteilung mit, dass die Meisterfeier "nicht der richtige Zeitpunkt" sei, um mit Gündogan über dessen Zukunft zu sprechen - wodurch das Thema noch mehr in den Fokus rückte.

Eine Entscheidung dürfte erst zum Saisonende kommuniziert werden. Vielleicht hängt sie auch davon ab, ob Gündogan als erster City-Spieler überhaupt den Champions-League-Pott hochhalten wird. Beim Finale in der Türkei, der Heimat seiner Eltern.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5874775
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.