Süddeutsche Zeitung

Fußball in Spanien:Das Drama um Messi fängt erst an

Lesezeit: 3 min

Der Abschied des sechsmaligen Weltfußballers setzt Barcelona unter Schock. In Spanien fragt man sich, wer die Schuldigen sind - und ob es Messi nun nach Paris zieht.

Von Javier Cáceres

Der überraschende Abschied von Lionel Messi vom FC Barcelona ist von den spanischen Zeitungen mit größtenteils konsternierten Schlagzeilen quittiert worden. "Drama. Messi geht!", hieß es am Freitag auf der ersten Seite der Zeitung Sport aus Barcelona, die dem Traditionsklub seit jeher verbunden ist - über einem Foto des 34-Jährigen auf schwarzem Grund. "Ein Abschied ohne Größe", titelte die nicht minder berührte Zeitung La Vanguardia, die als Organ des katalanischen Bürgertums das "traurige Ende einer wundervollen Ära" beweinte. Auch die Madrider Zeitung El País räumte ihre erste Seite für den Fußballer frei: "Barça kündigt an, dass Messi nicht weitermacht." Der Zeitung El Periódico de Catalunya fehlten schlicht die Worte: "Unglaublich".

Barça hatte am Donnerstagabend, kurz vor 20 Uhr, zur völligen Verblüffung aller Außenstehenden angekündigt, dass Messi den Verein nach insgesamt mehr als 20 Jahren und 35 Titelgewinnen verlassen wird. Mit unbekanntem Ziel. Im vergangenen Jahr hatte er mit Manchester City geflirtet. Doch der Meister der englischen Premier League gab - ebenfalls am Donnerstagabend - die Verpflichtung des englischen Nationalspielers Jack Grealish (Aston Villa) für mehr als 100 Millionen Euro bekannt; auch der Kapitän der Three Lions, Harry Kane, ist im Verein von Pep Guardiola weiterhin ein Thema. Geld haben sie bei City, der Klub gehört arabischen Scheichs. Ob allerdings bei einer weiteren, teuren Topverpflichtung die Maßgaben des "Financial Fair Play" des europäischen Fußballverbandes Uefa hinreichend eingehalten werden können, ist überaus fraglich.

Was Messi betrifft, richten sich die Blicke daher vor allem auf Paris Saint-Germain, doch auch da gibt es viel Skepsis. Die Zeitung L'Équipe fragt sich, ob das lange offensiv betriebene Werben um den Argentinier wohl nur "ein Wunschtraum" sei und bleiben werde. "Zum heutigen Tag" werde bei PSG eine mögliche Rekrutierung Messis als "wenig realistisch" angesehen. Das könnte sich noch ändern. Aber: Die Priorität bleibe, den eigenen, französischen und ungleich jüngeren Stürmer Kylian Mbappé dazu zu bewegen, seinen im Sommer 2022 auslaufenden Vertrag zu verlängern. Mbappé flirtet mit Real Madrid, wo wiederum die Hoffnungen auf den Weltmeister von 2018 gewachsen sind, wie in den Gazetten zu lesen war, die auf der anderen Seite der Pyrenäen erscheinen, auf der Iberischen Halbinsel. Dort stand man freilich sehr unter dem Schock der "Bombe!" ( El Mundo Deportivo), die am Donnerstag gezündet worden war. Denn die Suche nach Ursachen und Schuldigen hat gerade erst begonnen. Ermittelt wird in alle Richtungen.

Auch die Zeitungen hatten tagelang - ob entsprechender Signale aus dem Vereinspräsidium Barcelonas - das nahende Ende der Messi-Soap angekündigt: das Happy End. Dann folgte am Donnerstag die Wende. Der milliardenschwer verschuldete Klub machte "wirtschaftliche und strukturelle Gründe" dafür verantwortlich - und deutete unverhohlen auf den Ligaverband LFP. Das kann nur heißen, dass die LFP signalisiert hat, Messi das Lizenzspielerstatut zu verweigern. Oder ist doch alles anders?

Auch der Verkauf von Liga-Vermarktungsrechten könnte eine Rolle gespielt haben

Gerüchte besagen, Messi habe eine Nachbesserung des Kaders verlangt. Der Klub wiederum habe in letzter Minute eine Gehaltskürzung gefordert, die über den bereits beschlossenen 50-prozentigen Verzicht hinausging. Es würde niemanden wundern, wenn die prekäre Finanzlage Barcelonas noch viel schlimmer wäre als bisher.

Unklar ist aber auch, welche Rolle die Einigung des Ligaverbandes LFP mit dem Private-Equity-Unternehmen CVC spielte. Sie soll den Klubs der Liga insgesamt 2,7 Milliarden Euro in die Kassen spülen, der FC Barcelona hätte mit etwa 250 Millionen Euro partizipiert, wenn er sich darauf eingelassen hätte. Aber: Der FC Barcelona verfolgt weiter die Absicht, zusammen mit seinem Erzfeind Real Madrid eine europäische Super League zu gründen - und der will gegen LFP und CVC klagen. Nach der Verkündung des Abschieds von Messi stellte sich Barcelona offiziell gegen die Pläne der LFP, auf Jahre hinaus kommerzielle Rechte an CVC zu veräußern. Weil man diese Rechte selbst vermarkten möchte? Sind sie längst der Super-League-Gesellschaft versprochen? Barcelonas Vereinspräsident Joan Laporta will am Freitag in einer Pressekonferenz Stellung beziehen.

Messi wiederum soll, wie Vertraute berichten, unter Schock stehen. Mit diesem Ausgang habe er nicht gerechnet. Mehr noch: Diverse Medien berichten, Messi habe seinem Freund Sergio Agüero am Mittwoch angekündigt, am Freitag zum Training erscheinen zu wollen. Womöglich stimmt das. Doch sicher ist es nicht. Denn so wie erstaunlicherweise alle Spieler des FC Barcelona flüchtete sich Messi zunächst in dröhnendes Schweigen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5374895
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.