Süddeutsche Zeitung

TV-Vermarktung in der Bundesliga:Solidarität unter Schweinchen

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Der FC St. Pauli löste mit seinem Antrag eine wilde Debatte über die Geldverteilung in der Bundesliga aus. Radikale Änderungen bleiben wohl aus - außer höhere Instanzen greifen ein.

Kommentar von Claudio Catuogno

Es ist nicht ganz klar, was Rudi Völler gegen Schweinchen Schlau hat. Während der Schweinchenkollege Fifer in seinem Strohhaus Flöte spielt und der Schweinchenkollege Fiddler in seinem Holzhaus Geige, ist es ja gerade Schlau, der Stein auf Stein türmt, anstatt sich dem Müßiggang hinzugeben - und der Fifer und Fiddler dann großherzig Unterschlupf gewährt, als draußen der Wolf deren klapprige Behausungen umgepustet hat. Ja, schon klar, Schlau ist ein bisschen der Streber von den Dreien. Aber am Ende verdanken ihm die anderen ihr Leben. Jedenfalls bei Disney.

In der Schweinchen-Schlau-Debatte, die gerade in den 36 deutschen Profiklubs geführt wird, gehen die Rollen hingegen durcheinander. Wer gut und wer böse ist, wird definiert von der Frage des Standpunkts. Leverkusens Manager Rudi Völler hat dem St.-Pauli-Kollegen Andreas Rettig die Rolle des Strebers zugeschrieben ("typischer Rettig: ein bisschen Schweinchen Schlau") - weil Rettig auf der nächsten Liga-Versammlung erreichen will, dass Klubs wie Leverkusen, Wolfsburg oder Hoffenheim kein Geld mehr aus der gemeinsamen Vermarktung der Erst- und Zweitligisten bekommen. Sie würden ja bereits von Konzernen oder dem Mäzen Dietmar Hopp alimentiert, so die Rettig-Logik. Ob dieser Antrag nun eher schweinisch oder eher schlau ist, muss sich erst noch zeigen. Völlers Bild ist jedenfalls schief.

Rummenigge ist in Wahrheit Schweinchen Schlau

Wenn schon, dann ist in dieser Geschichte nämlich ein anderer Schweinchen Schlau: Karl-Heinz Rummenigge. Ein stabileres Haus als der FC-Bayern-Boss hat ja keiner. Und es ist - bisher - auch keiner so solidarisch. Experten schätzen, die Bayern könnten pro Jahr 200 Millionen mehr einnehmen, würden sie ihre Spiele und TV-Rechte selbst vermarkten, anstatt sich dem Ligafinanzausgleich zu unterwerfen. Um im Bild zu bleiben: Einige im deutschen Fußball bauen ihre Häuser mit dem Geld, das die Bayern erwirtschaften.

Wie also steht Rummenigge zu diesem Vorschlag? Er sei "im Geiste bei den Klubs, die sich da jetzt zu Recht wehren", sagt er, man werde sich ihnen gegenüber "sehr solidarisch" zeigen. Gleichzeitig findet er die Debatte über weniger Solidarität "überfällig". Ja, was denn nun? Man darf das wohl so verstehen: Rummenigge will 1) mehr Geld für die Bayern. Aber er will 2) ganz sicher nicht, dass nun Millionen von Wolfsburg oder Leverkusen zu St. Pauli umgeleitet werden. Ein bisschen Wettbewerb in der Liga-Spitze brauchen schließlich auch die Bayern.

So nimmt nun jeder, klar, die Position ein, die seinem eigenen Klub nützt - weil es aber Mehrheiten bräuchte, sind radikale Änderungen des Systems eher nicht zu erwarten. Außer, es kommen die EU-Kommission, das Kartellamt oder andere Untiere und pusten die Solidargemeinschaft der Klubs einfach weg.

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Quelle:
SZ vom 26.11.2015
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